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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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abenteuerlichen Autofahrten vom Bahnhof nach Bridge of Balgie. Alfred schien die ohnehin sehr kurvenreiche, unebene und schmale Straße, die dem Lauf des Lyon folgte, stets nur als groben Anhaltspunkt zur Kursbestimmung zu nutzen und Jonathan war jedes Mal heilfroh, wenn sie das Anwesen der Jabboks unversehrt erreicht hatten.
    Peter für seinen Teil machte am Steuerrad der schweren Limousine einen sehr ernsten und konzentrierten Eindruck. Er arbeitete bereits daran, Alfreds Lektion in die Tat umzusetzen.
    Der Empfang auf Jabbok House war gewohnt herzlich. Das Dienstpersonal – insbesondere Martha, das Hausmädchen – zeigte Freude über Jonathans Besuch. Hier und da entdeckte Jonathan auch einen verstohlenen Blick, aus dem die Sorge über den Gesundheitszustand des letzten verbliebenen Jabbok-Erben sprach – die Nachricht von seiner Krankheit hatte sich ohne Frage in Windeseile herumgesprochen.
    Mit seinen kaum zweihundert Jahren war Jabbok House – gemessen an anderen schottischen Familiensitzen – ein sehr junges Haus. Ursprünglich lebten die Jabboks auf Meggernie Castle, einer Burg, nur etwa drei Meilen entfernt, auf der anderen Seite des Flüsschens. Dieser Besitz war nun jedoch teilweise verfallen und wurde nur noch gelegentlich im Sommer bewohnt.
    Die jetzige Residenz der Lords von Jabbok war dazu angetan, im Betrachter Schwindelgefühle hervorzurufen. Nicht ihrer Ausmaße wegen und sicherlich hätte diesem Bauwerk, in dem sich die verschiedensten Baustile mischten, in einem repräsentativen Pariser Stadtbezirk auch niemand besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
    Im schottischen Hochland dagegen wirkte Jabbok House ziemlich deplatziert.
    Die Jabboks verdankten dieses Domizil einem Schöngeist, einem Spross der Familie, der die Künste liebte, aber die klassischen Tugenden seiner Vorfahren, die Landwirtschaft, die Viehzucht und natürlich den Dienst in der königlichen Marine zu den schnöden Dingen des Lebens zählte. Obwohl die späteren Clanführer stets jedermann wissen ließen, dass das in rosa und weiß gehaltene, mit seinen Türmchen, Bögen und Säulen sehr verspielt wirkende Gebäude auf die Geschmacksverirrung eines schwarzen Schafes zurückzuführen sei, hatten sie doch manch ungläubiges Kopf schütteln und schadenfrohen Spott hinnehmen müssen. Sicherlich lag es nicht nur an dem sprichwörtlichen Dickkopf der Jabboks, dass das Haus trotzdem fast ununterbrochen bewohnt war. Einerseits hatten die ausschweifenden Lebensgewohnheiten des Erbauers die Familie dicht an den Rand des Ruins gebracht, andererseits bot Jabbok House aber auch einen Komfort, den – im Vergleich zu der besonders im Winter so ungemütlichen und feuchtkalten Burg – niemand mehr missen wollte.
    Jonathan, der die steife, traditionsverhaftete Denkweise vieler Mitmenschen ohnehin nicht teilte, fühlte sich in Jabbok House sehr wohl. Die Räume in dem quadratischen, dreistöckigen Gebäude waren großzügig und hell gestaltet. Die Decken waren mit zarten Stuckornamenten verziert und pastellfarbene Wandverkleidungen gaben dem Innenraum einen freundlichen Ton. Einige Räume waren im Laufe der Generationen natürlich auch verändert worden und entsprachen eher dem Stil hochherrschaftlicher schottischer Landhäuser.
    Nach Jonathans Erkrankung hatte der alte Lord Jabbok sogar einen Fahrstuhl einbauen lassen, den er selbst und der greise Alfred übrigens auch sehr gern benutzten. Dank dieser modernen Einrichtung konnte sich der jüngste Jabbok-Spross selbständig im ganzen Haus bewegen: Auf den Etagen gab es keine lästigen Türschwellen und über eine Rampe war es ihm möglich, auch in den großzügig angelegten Garten zu gelangen. Dies alles trug dazu bei, dass Jonathan sich stets freute, wenn er Jabbok House besuchen durfte, und traurig war, wenn er es wieder verlassen musste.
    Die Wohnhalle – der Begriff »Zimmer« wäre eine arge Untertreibung gewesen – war durch den Schein des Kaminfeuers in dämmriges Licht getaucht. Jonathans Blick lag auf dem Claymore, dem zweihändigen Familienschwert des Jabbok-Clans. Es hing über dem Kamin zusammen mit einem langen Schild, der das Familienwappen trug: links oben ein goldenes Auge auf blauem Grund, ein Zeichen für die Wachsamkeit der Jabboks im Dienste der englischen Krone; rechts unten das Symbol einer weißen Rose, dessen Bedeutung heute niemand mehr kannte, das aber wohl älter war als der Adelsstand der Jabboks; und schließlich das silberne Claymore-Schwert, das sich von links unten

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