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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Worten bauen müssen, die ihn wieder zurück in die Welt seiner Mitmenschen tragen konnte.
    Auch Belvin lächelte jetzt, zwar unsicher zwischen Yonathan und Felin hin-und herblickend, aber doch mit jedem Herzschlag zuversichtlicher.
    Etwa fünfzig oder sechzig Schritte vor der Treppe, die ins Freie führte, kamen sie zu einer Reihe langer Holzbohlen. Als sie darüber hinweggingen, bemerkte Yonathan, wie sie sacht nach vorne kippten. Im gleichen Augenblick ertönte ein tiefer, voller Klang, eine Harmonie von Tönen, wie von bronzenen Glocken.
    »Was war das?«, fragte er erschrocken.
    Belvin kicherte wieder, doch jetzt erinnerte es eher an das heitere Geräusch, das Din-Mikkith immer von sich gegeben hatte. »Hast du die Tönenden Bohlen vergessen, Yonathan? Ihr müsst sie doch schon vorhin überquert haben, als ihr hier herunterkamt.«
    Yonathan blickte Hilfe suchend zu Felin, der lächelnd zu einer Erklärung anhob. »Yonathan hat im Verlaufe seiner heutigen Palastbesichtigung schon eine verwirrende Fülle von neuen Dingen kennen gelernt, da kann man leicht denÜberblick verlieren.«
    »Soso?«, sagte Belvin interessiert. »Hat sich wohl eine Menge verändert in den vergangenen dreißig Jahren, was?«
    »Das wirst du uns sagen können, Belvin, wenn du erst oben bist und dich umgeschaut hast«, entgegnete Yonathan, froh ob des schnellen Themenwechsels. Später erfuhr er von Felin, dass man die Tönenden Bohlen unmöglich überqueren konnte, ohne dass sie irgendwann in eine andere Lage umkippten und damit einige verborgene Klöppel auslösten, die ihrerseits wiederum gegen lange Bronzeröhren schlugen.
    »Schade, dass die Sonne schon untergegangen ist«, sagte Yonathan, als Felin die Kerkertür aufstieß.
    Belvin schritt neben ihm auf den Hof hinaus, der links und rechts von niedrigen, langen Gebäuden und einige hundert Fuß voraus von dem riesigen Schatten des Großen Kubus begrenzt wurde. Er sog die frische Abendluft ein und blickte zum Himmel empor, wo dunkle Wolken dahinflogen, an den Rändern leuchtend vom silbernen Licht des Halbmondes.
    »Sei deshalb nicht traurig, Yonathan«, erklärte der kleine Mann mit unbeschwerter Stimme. »Gleich das volle Licht der Sonne zu sehen, wäre vielleicht zu viel des Guten gewesen. Selbst der halbe Mond dort droben ist mehr, als Belvin sich… verzeih, als ich jemals wieder zu sehen erhoffte.« Er lächelte Yonathan an und ergriff die Hände des Jungen. »Ich danke dir, du wundersamer Knabe. Als du vorhin meine Hände genommen hast, war es so, als hätte dein Herz das meinige wieder zum Schlagen gebracht, und als du anfingst deine Geschichte zu erzählen, war es so, als flößte mir jemand flüssiges, warmes Sonnenlicht in meine von Trauer und Schuld erstarrten Glieder. Bist du mir böse, wenn ich jetzt ein wenig in den Schlosspark hinausgehe, allein? Ich glaube, ich habe über einiges nachzudenken.«
    »Keineswegs, Belvin. Geh nur.« Yonathan umarmte vorsichtig den alten Mann, denn er wirkte noch immer sehr zerbrechlich. Er schob Belvin mit ausgestreckten Armen so weit von sich, dass er ihm in die Augen schauen konnte und sagte: »Yehwoh helfe dir, die richtigen Gedanken zu finden und ihnen die rechten Taten folgen zu lassen.«
    »Ich glaube, er hat schon damit begonnen«, erwiderte Belvin. Dann wandte er sich um und ging langsam davon.
     
    An der Tafel des Kaisers
    »Du bist ein merkwürdiger Junge«, sagte Felin, während er dem in der Nacht verschwindenden Kerkermeister nachsah. Er sprach leise, als wolle er die aus tiefen Gefühlen gewobene Stimmung nicht zerstören. »Ich habe nur getan, was mein Herz mir eingab«, erwiderte Yonathan.
    »Und das war gut so, Yonathan. Belvins Herz war verdorrt, aber du hast es wieder zum Schlagen gebracht. In dir steckt sicher mehr, als du selbst ahnst.«
    »Wo seid Ihr nur so lange gewesen, Prinz Felin?« Der laute Ausruf ließ die beiden zusammenzucken. Barasadan, das kaiserliche Hofgenie, war wie aus dem Nichts erschienen.
    »Sagt, verspürt nicht auch Ihr die Impression, die Person, die da soeben in Direktion des Kubus entschwand, sei von ihrem Typus her prädestiniert Assoziationen an unseren leitenden Justizvollzugsbeamten Belvin zu wecken?«
    Felin hatte sich wieder gefasst. »Eine gewisse Ähnlichkeit mit Belvin ist tatsächlich nicht zu leugnen«, bestätigte er Barasadans Vermutung. »Doch es verwundert mich, dich hier vor deinem Labor anzutreffen, Bara. Ist die Besprechung des Kaisers mit Baltan und den anderen Gästen schon

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