Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
tatsächlich dieses Schwert zum Schwimmen bringst, dann sollst du deinen Willen bekommen. Du kannst dich frei im Palast bewegen. Du kannst sogar deine Freunde einladen. Sollte das Schwert versinken, dann gehst du mit ihm unter. Dann bist du mein. Du wirst in deiner Kammer sitzen bleiben, bis ich dich rufe.«
Yonathan holte tief Luft. »Es sei gesprochen und verkündet, Eure Majestät.«
Zirgis stürmte nach der Verkündigung seines Beschlusses aus dem Saal, eilte durch die mächtige Vorhalle des Großen Kubus und von dort direkt ins Freie. Yonathan und Felin folgten. Auch sie wollten die Sache zu Ende bringen; zudem mahnten Yonathan zwei spitze Hellebarden zu zügiger Gangart. Galkh und sein Kamerad verrichteten diesen Dienst sehr gewissenhaft, hatten sie doch die Rückendeckung ihres obersten Befehlshabers.
Auf dem Hof vor dem Eingangstor stand bereits eine Schar von Bittstellern. Sie warteten auf den Beginn der Generalaudienz. Dass der Kaiser sich persönlich zu ihnenbemühte, sorgte für freudige Überraschung. Doch ehe der Applaus recht aufbranden konnte, war der »Geliebte Vater der Weisheit« schon durch die Gruppe seiner »Kinder« hindurchgeschlüpft und nahm nun direkten Kurs auf die Parkanlagen.
Die kaiserliche Leibwache sorgte dafür, dass nur Yonathan, Felin und wenige Vertraute des Kaisers die Grünanlagen betreten durften. Jetzt, da sie wieder fast unter sich waren, konnte Felin nicht länger an sich halten. »Was hast du nur vor, Yonathan? Du willst doch nicht wirklich das hier schwimmen lassen.« Felin hielt Yonathan das lange Schwert hin, das er auf Befehl seines Vaters an sich genommen hatte.
»Warum nicht?«, erwiderte Yonathan grimmig.
»Schwerter schwimmen nicht, Yonathan!«
»Bist du da so sicher?«
»Yonathan! Nun mal im Ernst: Wie willst du das vollbringen? Das Eis und das Gold – gut. Ich kann mir zwar nicht erklären, wie du das gemacht hast, aber dieses Schwert, das ist etwas ganz anderes.«
»Ich glaube einfach daran, Felin.«
»Hoffentlich genügt das!«
»Mein Pflegevater lehrte mich, dass viele Menschen nur meinen, etwas zu wissen, weil sie wollen, dass es so ist. Der Glaube aber ist ›das feste Erwarten erhoffter Dinge, der augenscheinliche Beweis von Wahrheiten, obwohl man sie nicht sieht‹. So steht es jedenfalls im Sepher.«
Felin seufzte. »Ich darf also annehmen, du glaubst fest daran, dass dieses Schwert schwimmen wird wie eine Ente?«
Yonathan lachte. »Vielleicht nicht so elegant, aber – ja, ich glaube daran. Der Stab kann vieles bewirken und ich glaube, Yehwoh wird uns durch Haschevet helfen.«
Felin nickte ernst. »Dann bete ich um Yehwohs Segen für dich und dein Vorhaben.«
»Danke, Felin. Und vertrau mir. Behalte nur das Schwert fest in der Hand und folge deinem Herzen. Ich glaube, es geht los.«
Während ihrer Unterhaltung hatten sie die kunstvoll gepflegten Anlagen am Fuße des Großen Kubus durchschritten und betraten nun einen naturbelassenen Teil des Parks. Hinter einer Hecke sprudelte ein Springbrunnen. Hier, wenige Schritte von Barasadans diebstahlsicherer Sitzgarnitur, blieb die Gruppe stehen.
»Jetzt wollen wir sehen, ob deine Fähigkeiten an dein Mundwerk heranreichen«, wandte sich Zirgis an Yonathan. »Dieses Schwert wiegt schwer. Aber nimm es. Wenn es dir wirklich gelingt, es schwimmen zu lassen, werde ich meinen Teil unserer Abmachung erfüllen. Du kannst das Schwert sogar behalten, denn was ist es noch wert, wenn es kein Gewicht mehr hat?«
Yonathan verspürte eine tiefe innere Ruhe, gleichzeitig aber auch jenes Hochgefühl, das ein Wanderer empfindet, der nach langem, mühsamem Marsch auf dem Gipfel steht und die Welt zu seinen Füßen sieht.
Er dachte kaum über den Sinn seiner Worte nach, als er dem Kaiser antwortete. »So soll es sein, Hoheit. Was ist ein Werkzeug, das als zu leicht empfunden wird? Doch nicht ich will dieses Schwert zum Schwimmen bringen. Euer Sohn, Felin, soll es tun. Seine Hand wird es sein, die dieser Waffe das rechte Gewicht verleiht. Und Euer Wort wird sich erfüllen, auf dass Felin hinfort der rechtmäßige Träger des Schwertes sei.«
Zirgis verriet Unsicherheit, wenn nicht sogar Furcht, denn diese Worte des noch so jungen Stabträgers schienen ein bedrückendes Gewicht zu besitzen. Sie klangen fast wie ein Richterspruch.
Auch Felin fühlte die seltsame Stimmung des Augenblicks. Langsam zog er das Schwert aus der Scheide, ein Schwert, das nicht das seine war. Sein Großvater, Zirgon, hatte es an Zirgis
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