Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
lassen durfte, sein Versprechen zurückzunehmen und sagte deshalb: »Das Schwert ist nicht mehr das gleiche, so, wie Ihr es voraussagtet, Majestät. Es ist wie der Stab geworden: Niemand wird es mehr berühren können, außer seinem Träger.« Und wieder durchflutete ihn jenes seltsame Gefühl, das ihm den Mund öffnete und ihn Dinge sagen ließ, die er selbst kaum verstand. »So soll es sein. Der Stab Haschevet hat das Schwert in sein Licht getaucht. Es ist nun gereinigt und geheiligt, neu geboren und bestimmt zu einem geweihten Zweck. Solange es diesem Vorsatz dient, wird auch die Kraft des Stabes in ihm wohnen. Das Schwert ist ein Kind Haschevets, des Lichts, also heiße es von nun an Bar-Schevet, Sohn des Stabes. Bist du bereit, Felin, Sohn von Kaiser Zirgis, Enkel von Zirgon und Nachfahre des sechsten Richters Goel, dieses Schwert entgegenzunehmen und es zu tragen im Dienste des Lichts, aus dem es geboren wurde?«
Traurigkeit spiegelte sich in Felins Augen, als er antwortete: »Ich will es und ich werde es tun.«
Nichts als heiße Luft
»Du bist dir sicher, Yonathan, dass diese Worte nicht von dir selbst stammten?«, fragte Felin. »Es war das Koach, Yehwohs Macht.«
Felin nickte. Er hatte ohnehin nicht ernsthaft daran gezweifelt. »Dann ist es also beschlossen: Ich werde dieses Schwert tragen.« Er seufzte. »Es ist eine schwere Verantwortung.«
Yonathan fühlte sich erleichtert. »Du solltest dich freuen, Felin. Dein Vater hat die Worte über das Schwert nicht verstanden. Mir war ja auch nicht klar, dass sie eigentlich ihn, den Kaiser, betrafen. Dein Vater hätte sich nicht so weit von Yehwoh entfernen dürfen und nur an seine eigene Macht denken sollen. Das Schwert ist ein Symbol für den obersten Richter in weltlichen Dingen. Nun ist klar, dass diese Gewalt an dich übergehen wird. Und ich glaube, dass dein Vater so etwas geahnt hat.«
»Denkst du, das alles ist mir nicht klar?«, rief Felin. »Haschevets Licht hat mir meinen Platz gezeigt. Jahrelang litt ich darunter, dass mein Vater nie schätzte, was ich tat, und nie hörte, was ich sagte. Immer war nur Bomas derjenige, der alles richtig machte; schließlich sollte er eines Tages zum Kaiser gekrönt werden. Aber nun…« Felin senkte den Blick.
»Aber dann müsstest du doch jetzt froh und dankbar sein, dass dir am Ende doch noch Gerechtigkeit widerfahren ist…«
Felin hob den Kopf und Tränen standen in seinen Augen. »Ach, Yonathan, du verstehst ja nicht! Natürlich bin ich dankbar, dass Yehwoh mich erwählt hat. Aber ich liebe meinen Vater und meinen Bruder – trotz allem! Ich will die Kaiserkrone nicht, wenn sie dafür mit dem Leben bezahlen müssen.«
»Mit ihrem Leben? Wieso…?«
»Genau das bedeutet es doch, Yonathan. Du hast doch vorhin selbst gesagt, dass mein Vater machtbesessen ist. Er würde nie freiwillig die Krone hergeben, so wie es mein Großvater getan hat. Und selbst wenn, dann wäre da immer noch der Nächste in der Erbfolge: mein Bruder. Wenn die Prophezeiung sich erfüllen soll, sehe ich nur diesen einen Weg: Mein Vater und mein Bruder müssen sterben.«
So hatte Yonathan seine Worte vom Springbrunnen noch nicht betrachtet. Er war ratlos. »Wir können Yehwoh um Hilfe bitten; aber wie seine Hilfe dann aussieht, wissen wir nicht. Ich zweifle aber nicht daran, dass er in allem, was er tut, gerecht ist.«
Der Prinz war sich wohl unschlüssig, ob er diesen Trost billigen durfte. Schließlich sagte er: »Du hast Recht, Yonathan. In der Weissagung war nicht von Zeit und Ort die Rede. Vielleicht wird mein Vater noch sehr alt werden, bis er stirbt; vielleicht wird mein Bruder als Kaiser noch viele Schlachten an den Grenzen Temánahs kämpfen; und vielleicht werde ich selbst erst in hohem Alter die Bürde der Kaiserkrone übernehmen. Bis dahin will ich mein Bestes tun, um mich der Wahl Yehwohs würdig zu erweisen.«
Yonathan bezweifelte, ob man die Prophezeiung vom Brunnen so auslegen durfte. Wenn Yehwoh mit Zirgis’ Herrschaft unzufrieden war und in Felin den geeigneteren Kaiser sah, dann würde er wohl nicht mehr so lange warten wollen. Aber jetzt war nicht die Zeit diesen Punkt zu klären.
Felin schien ruhiger, jetzt, wo er sich eine Erklärung für die Ereignisse des Morgens zurechtgelegt hatte. Und das war gut so, denn nur ein klarer Verstand konnte die Aufgaben dieses Tages meistern. Yonathan wechselte das Thema. »Den besten Beweis für die Wahl Yehwohs hältst du ja in den Händen.« Er deutete auf das
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