Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Schiff ist alles in Ordnung, aber mein Vater macht uns, besser gesagt, macht dir Probleme. Er möchte, dass du den Großen Kubus heute nicht verlässt.«
»Vielleicht hat er Angst, ich könnte im Trubel abhanden kommen.«
»Hat er da so Unrecht, Yonathan?«
Yonathan lächelte trüb. »Kann es sein, dass er von unserem Plan erfahren hat?«
Felin schüttelte den Kopf. »Wohl kaum. Aber wir müssen überlegen, was wir nun tun sollen. Mein Vater wird selbst den Geheimgang, der durch die Palastmauern in den Kerker führt, bewachen lassen. Ohne sein Einverständnis können wir uns nicht frei bewegen.«
»Hat dein Vater nicht heute Morgen diese – Generalaudienz?«
»Nun ja, Generalaudienz ist wohl zu viel gesagt. Längst nicht jeder wird vorgelassen, aber mein Vater will sich den Anschein geben, für die Wünsche seines Volkes ein offenes Ohr zu haben.«
»Ganz im Sinne des ›Geliebten Vaters der Weisheit‹, was?«, meinte Yonathan sarkastisch.
Felin nickte nur. Traurigkeit leuchtete wie ein schwarzes Licht aus seinen Augen.
Aber Yonathan mochte sich nicht damit abfinden. Zu viel Zeit war vergeudet worden. »Ich gehe zu ihm.«
»Das kannst du nicht, Yonathan. Niemand, der nicht von ihm gerufen wurde, kann ungestraft vor ihn treten. Es haben schon ganz andere dafür ihren Kopf…«
»Ganz andere, Felin? Aber ich bin der Stabträger!« Yonathan erschrak selbst über die Anmaßung, die in seinen Worten lag. Goel war dafür lebenslang verbannt worden. Gemäßigter fügte er hinzu: »Es geht um Haschevet. Ich bin nur ein Werkzeug. Aber auch dein Vater kann sich dieser Macht nicht widersetzen.«
»Du willst dich nicht zurückhalten lassen, Yonathan?«
»Yehwoh ist mit mir. Wer will mich aufhalten?«
»Das klingt ziemlich dramatisch.«
Yonathan zuckte die Achseln und lächelte grimmig. »Manchmal ist Klappern besser als Klagen. Du kannst ja hier warten, bis ich mit deinem Vater gesprochen habe.«
Das tat Felin nicht. Er wunderte sich, wie schnell sein junger Freund laufen konnte, als er ihm durch die Flure des Großen Kubus folgte.
Die Wachtposten waren völlig ahnungslos. Nachdem Yonathan und Felin die Eingangshalle erreicht hatten, stapften sie mit langen Schritten auf die weiten, zweiflügligen Türen zu, die in den Saal der Rechtsprechung führten. Die zwei Bewaffneten hätten fast zu spät ihre Hellebarden gekreuzt.
»Halt, Junge!«, befahl einer der beiden.
»Ich muss den Kaiser sprechen«, rief Yonathan. »Haltet mich also lieber nicht auf, Galkh!«
»Gleich werden die Gäste zur Generalaudienz des Kaisers erscheinen und Ihr seid nicht geladen, junger Mann.«
»Ich bin Gast des Kaisers«, beharrte Yonathan. »Wie Ihr sehr wohl wisst, Galkh.«
Der Türhüter blieb unerbittlich. »In der Tagesorder heißt es aber, dass Ihr Euch vom Fest fern halten sollt. Ich muss Euch daher bitten…«
»Wisst Ihr, was das hier ist, Galkh?« Yonathan streckte dem Wachmann seinen Stab mit dem goldenem Knauf hin.
Galkhs Augen traten hervor. Seine Kinnlade klappte herab. »Der sieht aus wie… das ist…«
»Richtig«, half Yonathan nach. »Das ist der Stab der Richter Neschans. Haschevet.«
Natürlich hatte Galkh den Stab sofort erkannt. Der Palast war voll von Gemälden, Sedin-Reliefs und Wandteppichen, die Haschevet zeigten. »Aber das kann nicht sein«, protestierte der Soldat. »Jeder, der den Stab berührt, muss sterben…«
»So ist es, Galkh. Jeder, außer dem Stabträger selbst.«
»Dann müsstet Ihr der siebte Richter sein.«
»Der bin ich nicht. Aber Ihr dürft dennoch gerne ausprobieren, ob das hier eine Fälschung ist.«
»Ein kleiner Rat unter Freunden: Tut es lieber nicht, Galkh.« Dieser gut gemeinte Hinweis stammte von Felin.
Galkhs Blick kreiste zwischen Stab, Yonathan, dem Prinzen und seinem Kameraden. Der jedoch war keine große Hilfe; er schien in seinem Harnisch geschrumpft zu sein und wirkte wenig tatkräftig.
»Was geht da draußen vor?«, tönte eine Stimme von jenseits der Tür.
Langsam, ohne den Blick von Yonathan zu wenden, ging Galkh rückwärts durch die offen stehende Tür. Erst dort wandte er den Kopf und sagte: »Es ist dieser Knabe, Majestät. Er will zu Euch.«
»Welcher… etwa der Knabe Yonathan?«
Galkh nickte und warf Yonathan einen grimmigen Blick zu.
»Was will er? Ich habe ihn nicht gerufen.«
Galkh musste zugeben, dass er über Yonathans Anliegen nichts wusste.
»Er soll wieder gehen«, verlangte des Kaisers Stimme. »Gleich beginnt die Generalaudienz.«
»Ich
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