Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
immer etwas. Aber ich glaube, wir haben an alles gedacht. Felin wird dich, Yonathan, rechtzeitig in den Innenhof führen, in dem sich das startbereite Luftschiff befindet. Ich werde zwar nicht da sein dürfen, aber es sollte sich arrangieren lassen, dass Gimbar und Yomi an den Feierlichkeiten im Palast teilnehmen können.«
»Da kann ich mich auch etwas nützlich machen«, sagte Yonathan. »Der Kaiser hat mir angeboten meine Freunde in den Palast einzuladen, damit ich etwas Abwechslung habe.«
»Die werden wir ihm bestimmt verschaffen!«, lachte Gimbar.
»Gut.« Baltan klatschte in die Hände. »Dann sollten wir des Kaisers Wachen nicht länger warten lassen.« Er lächelte Yonathan zu. »Sie drängen sicher schon darauf, sich um ihren überaus gefährlichen Gefangenen und dessen Stab zu scharen, um sie wohlbehalten im Palast abzuliefern.«
Schweren Herzens verabschiedete sich Yonathan von den Freunden, um sich wieder in die Obhut seiner vierundsechzig »Beschützer« zu begeben. Es ist ja nur eine Trennung für zwei Tage, beruhigte er sich. Der Plan steht fest und nichts kann mehr schief gehen.
Aber er hatte nicht bedacht, dass es da noch diesen recht eigenwilligen Kaiser gab.
Das Wetter war wie bestellt. Nach einer sternenklaren Nacht brannte nun die Sonne vom Himmel, was Yonathan als große Ungerechtigkeit empfand. An diesem Tag sollten die Feiern anlässlich des dreißigjährigen Thronjubiläums von Zirgis, dem Kaiser des Cedanischen Reiches, dem »Geliebten Vater der Weisheit«, beginnen. Es hatte wohl schlechtere Herrscher in der Geschichte Neschans gegeben – aber auch bessere. Sachor zum Beispiel, der den Richter stets als die Stimme Yehwohs respektierte, der in Frieden und Demut regierte und der nie vergaß, dass die Stellung der cedanischen Kaiser nur von Yehwoh geduldet war.
Nicht so Zirgis. Zwar erkannte auch er Yehwoh als den Vater des Universums an, doch liebte er die Macht mehr als seinen Gott, den Befehl mehr als den Gehorsam und großes Getue mehr als die Güte und Liebe zu den Menschen, deren oberster Diener er doch sein sollte. Waren nicht die pompösen und verschwenderischen Feiern, die an diesem Morgen beginnen sollten, der beste Beweis dafür?
Und an einem solchen Tag musste die Sonne scheinen!
Yonathan war nervös. Kein Wunder, nur noch wenige Stunden und er würde ein fliegendes Schiff besteigen, um aus dem Sedin-Palast zu fliehen.
Aber Yonathans Unruhe hatte noch einen anderen Grund.
Es war vor zwei Tagen gewesen, auf dem Rückweg von Baltans Haus zum »Thron des Himmels«. An der Seite Felins, umgeben von der Rotte seiner »Beschützer«, war er durch die Straßen der großen Hauptstadt des Cedanischen Reiches geritten. Die Soldaten des Kaisers pflügten durch die Volksmenge wie ein Schiff durch den Ozean und hinterließen eine Bugwelle von Geraune und neugierigen Blicken. Erst jetzt, da Yonathan den Stab Haschevet wieder bei sich führte, wurde ihm bewusst, wie sehr er jene Eindrücke vermisst hatte, die das Koach ihm vermitteln konnte. Wenn er auch seine Wahrnehmungen, die Gefühle anderer Menschen betreffend, nicht immer willkommen hieß. Oft verunsicherten sie ihn und er zweifelte daran, dass er jemals die Macht des Stabes richtig gebrauchen könnte.
Vorgestern, auf dem Ritt durch die Stadt, hatte ihm Haschevet aufs Neue zwiespältige Gefühle beschert. Yonathan machte eine beunruhigende Beobachtung. Das heißt, zuerst spürte er nur jenes wohl bekannte Kribbeln im Hinterkopf, das ihn veranlasste seine Umgebung noch aufmerksamer zu beobachten. Dann entdeckte er ihn.
»Felin, da!«
»Was ist?«
»Der kleine, dunkelhäutige Mann da, bei dem Stand mit den Töpferwaren. Siehst du ihn?«
»Ich sehe viele Leute, aber ich bin mir nicht sicher…«
»Er hat nur ein Auge. Er ist… nicht mehr da.« Yonathan sank enttäuscht in den Sattel zurück.
»Du kennst diesen Mann?«
Yonathan nickte. »Das war Ason.«
»Glaubst du, dass er deinetwegen hier ist?«
Genau das dachte Yonathan. Jetzt, zwei Tage später, zweifelte er nicht mehr an Baltans Warnung, die Flucht aus dem Sedin-Palast würde eine ganze Schar von Verfolgern auf den Plan rufen. Es hatte den Anschein, als würde die Flucht nicht die Lösung aller Probleme sein, sondern nur der Beginn von neuen, vielleicht noch größeren Schwierigkeiten.
Felin trat ein. Er wirkte besorgt. Yonathan ahnte Schlimmes. »Sag’s schon, Felin. Irgendwas ist schief gelaufen. Ist es das Luftschiff…?«
»Nein, nein. Mit Baras fliegendem
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