Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
zäher dahin und das Warten auf die bevorstehende Flucht nagte an ihren Nerven.
Bis Felin schließlich eröffnete: »Ich denke, es wird Zeit, uns die Uhr der Palastwache etwas näher anzuschauen.«
Gimbar nickte erleichtert. »Dann nichts wie los! Es steht alles bereit.«
Felin lächelte amüsiert. »Nur ruhig, mein Freund. Das ist mein Teil unseres kleinen Spielchens.«
Yomi und Gimbar waren mit einem Karren voll »Geschenken« auf den Palastberg gekommen, im Wesentlichen bestehend aus Weinfässern. Felins Plan bestand darin, dem Hauptmann der Wache ein Fass zu überlassen, als Präsent des im Palast bekannten und geschätzten Baltan.
»Ihr wisst, Hoheit, dass es uns strengstens untersagt ist, im Dienst Wein zu trinken!«, sagte der Hauptmann wenig überzeugend, als Felin ihm das Präsent überreichte.
»Das ist mir wohl bekannt, Hauptmann Sargan«, entgegnete der Prinz. »Auch ich sähe es nicht gern, wenn die Anordnungen meines Vaters missachtet würden. Aber es ist Euch nicht untersagt, nach Dienstschluss ein Schlückchen auf das Wohl des Kaisers zu trinken – zumal an einem solchen Tag!«
Der Hauptmann rieb sich das Kinn, als wolle er die Sache reiflich überdenken. »Ihr habt Recht, Hoheit. Wir schaffen das Fass erst einmal hinein.«
»Und Ihr werdet bestimmt darauf achten, dass nur diejenigen ihre Weinration fassen, die ihren Dienst beendet haben?«
»Bestimmt«, versicherte der Hauptmann eifrig. »Ganz bestimmt! Ich werde mich persönlich darum kümmern.«
»Ich wusste, Ihr seid ein zuverlässiger Mann, Sargan.«
Während die Wachmannschaft sich um die Bergung des Fasses kümmerte, betraten der Prinz und Yonathan das Innere des Wachhauses. Sie hatten zwei große Weinkrüge mitgebracht, einen gefüllt mit Wein, den anderen mit Gimbars dickflüssigem »Wasser«.
Sobald die Wachstube geräumt war, stieg Felin auf das Podest, auf dem die Wasseruhr thronte und goss ohne langes Zögern den Inhalt des zweiten Weinkruges in einen großen gläsernen Hohlkörper. Gleichmäßig rann das Wasser von dort in eine gläserne Spirale, floss durch Kugeln und verschieden große Zylinder, durch gebogene Röhren und beendete seinen Weg schließlich in einem großen Behälter am Fuß der Uhr.
Yonathan glaubte zu erkennen, dass das Wasser sichtbar langsamer lief. »Werden die Wachen auch nichts bemerken?«, fragte er besorgt.
»Die werden sich in den nächsten Stunden wohl mehr für den Inhalt des Weinfasses interessieren als für die Uhr«, entgegnete Felin, während er die Hälfte des mit Wein gefüllten Kruges in den leeren füllte.
Nachdem die Wachen das Geschenk Baltans mit großer Sorgfalt in die Wachstube befördert hatten, verabschiedeten sich Felin und Yonathan mit besten Wünschen.
»Der erste Schritt wäre getan«, stellte Felin gleichmütig fest, als er und Yonathan wieder zu Yomi und Gimbar gestoßen waren. »Jetzt gibt es kein Zurück mehr.«
Die Erfahrung, dass Zeit eins der unzuverlässigsten Dinge im menschlichen Dasein ist, machte Yonathan nicht zum ersten Mal – aber noch nie zuvor hatte ihn dies so gequält wie heute. Die zwei Stunden bis zum »nächsten Schritt«, wie es Felin genannt hatte, zogen sich endlos dahin.
Die winterlich frühe Dämmerung war schon weit vorangeschritten, als Yonathan, Yomi, Gimbar und Felin aus sicherer Position die Wachablösung beobachten konnten, die sich in einem zurückgezogenen Teil des Palastgeländes vollzog. Kurz darauf öffnete sich ein zweites Mal das Holztor zum Innenhof, in dem Barasadans neueste Erfindung stehen musste. Zwei Gehilfen des Wissenschaftlers huschten heraus und entfernten sich in Richtung des Großen Kubus.
»Das ist das Zeichen«, flüsterte Felin. »Jetzt folgt Schritt zwei.«
So unauffällig wie möglich näherten sich die vier dem Durchgang. Felin klopfte an die Tür, die sogleich geöffnet wurde.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte der Prinz den Wachmann, der sie einließ.
»Ging alles wie geschmiert, Prinz«, erklärte dieser mit breitem Grinsen. »Die Wachen hatten nichts anderes im Sinn, als sich endlich in das nächtliche Festgetümmel zu stürzen. Und Barasadans Männer haben den Köder ebenfalls geschluckt.«
»Ich schlage vor, dass wir ziemlich schnell in Luft stechen, oder wie man das bei dieser Art von Schiffen nennt«, drängte Yomi. »Wenn wir den alten Filzkopf erst mal brüllen hören, dann wird es zu spät sein, die Anker zu lichten.«
»Ich wünschte, wir müssten nicht so überstürzt abreisen«, brummte Gimbar,
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