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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Glück waren keine Bogenschützen zugegen, die für das aufsteigende Luftschiff hätten gefährlich werden können. Einige emporgeschleuderte Speere fielen schon auf halbem Wege wieder nach unten.
    Barasadans weißer Kopfputz erschien auf der Szene. Der Wissenschaftler hüpfte unablässig, schimpfte und ruderte mit den Armen in der Luft herum, als wolle er persönlich die Verfolgung seiner Erfindung aufnehmen. Als dies nichts fruchtete, forderte er die Fliehenden mit teils drohenden, teils flehenden Gesten zur Umkehr auf. Doch auch davon nahmen Schiff und Besatzung keine Notiz. Wie hätten sie auch? Es wusste ja keiner, wie man ein Luftschiff steuert.
    Yonathan riss sich von dem atemberaubenden Anblick des unter ihm wegtauchenden Palastberges los und wandte sich Yomi zu. Er formte die Hände zu einem Trichter und legte sie an den Mund. »Yo, komm jetzt endlich an Bord. Oder wartest du auf eine schriftliche Einladung?«
    Yomi grinste. »Ich wollte mir nur ein wenig die Luft um die Nase wehen lassen«, rief er zurück. »Es ist ein unbeschreibliches Gefühl! Aber ich komme gleich nach oben.«
    Yonathan atmete auf und wandte sich Gimbar zu, der auf dem Boden saß und schwer atmend vor sich hinstarrte. »Yomi ist nichts passiert, Gimbar«, versuchte er den von Höhenangst gepeinigten Freund aufzumuntern. »Er sagt, es sei ›ein unbeschreibliches Gefühl‹.«
    »Wem sagst du das!«, keuchte Gimbar.
    »Dem Ärmsten wird es erst wieder gut gehen, wenn er festen Boden unter den Füßen hat«, vermutete Felin bedauernd.
    Das fliegende Schiff hatte mittlerweile eine beträchtliche Höhe gewonnen. Sie zogen jetzt hoch über die Stadt hinweg. Wohl kaum jemand auf den von Fackeln und zahlreichen Feuern erleuchteten Straßen und Plätzen nahm Notiz von dem technischen Wunderwerk, das hoch droben im abendlichen Himmel seinen Jungfernflug bestritt. Und die wenigen, die es sahen, wandten sich sogleich wieder ab, schüttelten energisch den Kopf und schworen sich an diesem Abend, keinen Wein mehr anzurühren.
    »Wir treiben ja nach Westen!«, rief Yomi plötzlich.
    Yonathan schaute nach unten. Tatsächlich! Während er und Felin, verzaubert von der Miniaturwelt unter ihnen, überhaupt nicht an die Flugrichtung gedacht hatten, war es Yomi sogleich aufgefallen: Das Schiff trieb in die verkehrte Richtung. Direkt auf die Sümpfe zu! Mit einem Blick gegen die dichte Wolkendecke stellte er fest: »Es scheint ein Sturm aufzukommen. Wahrscheinlich ist der Wind deshalb so unberechenbar. Noch ein paar Meilen und wir werden im Morast landen.«
    »Und versinken!«, ergänzte Yomi. »Andernfalls haben wir dann wieder Cedanor vor uns.«
    »Und damit auch meinen Vater, dessen Soldaten und den gesamten Geheimdienst«, fügte Felin finster hinzu.
    »Wenn wir nur die Flugrichtung ändern könnten…«
    Plötzlich kam Yonathan ein Gedanke, einer jener Einfälle, die ihn in letzter Zeit häufiger heimsuchten. Und erstaunten. »Wir können versuchen es wie die Adler zu machen!«
    »Ja«, murmelte Gimbar monoton. »Fangen wir an, mit den Armen zu schlagen. Vielleicht wachsen uns sogar Federn.«
    »Eben nicht«, sprudelte Yonathan hervor. »Der Adler ist äußerst sparsam mit seinen Flügelschlägen. Ich habe ihm schon oft zugeschaut, in den Bergen hinter Kitvar. Er scheint sich verschiedene Winde zu suchen, wenn er mit ausgestreckten Flügeln durch die Lüfte gleitet. Und wenn er die richtige Luftströmung gefunden hat, dann lässt er sich einfach in die gewünschte Richtung treiben.«
    »Bleibt nur die Frage, wie wir eine solche Strömung finden können«, gab Felin zu bedenken.
    »Ganz einfach, wir lassen uns entweder aufsteigen oder absinken.«
    »Ah!« Felin nickte. »Ich verstehe. Du meinst, dass die verschiedenen Windströmungen aufeinander geschichtet sind.«
    »Richtig. Am besten, wir versuchen zunächst höher zu steigen – runter kommen wir ja früher oder später sowieso.«
    Gimbar stöhnte.
    »Ich verstehe noch immer nicht, wie dieses Schiff überhaupt fliegen kann«, sagte Yomi.
    Yonathan erinnerte sich an die Erklärung des filzhaarigen Hofgenies. »Barasadan meinte, es wäre der Rauch, der aus dem Feuer aufsteigt. Deshalb verwendet er auch Wolle und Stroh, was beides eine Menge Qualm erzeugt. Er sagte, in dem Rauch sei die sogenannte ›Leichtigkeit‹ gespeichert, die in den hohlen Seidenkasten steigt und das Schiff in die Höhe hebt. Allerdings glaube ich eher, dass es mit der heißen Luft zusammenhängt, die über dem Feuer

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