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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Raumes aufzusteigen.
    Dann sah Yonathan die Sarkophage, sechs große, steinerne Quader. Jeder dieser Steinsärge schien aus einer anderen Art von Edelstein zu bestehen: drei aus Beryll in Dunkelgrün, Blaugrün und Rosa, einer aus Karneol in Rotgelb und ein weiterer aus Lapislazuli, der aussah wie ein Abendhimmel, in dem die ersten Sterne aufblitzten. Der letzte Sarkophag war offen. Der sicherlich nicht eben leichte Deckel schwebte etwa drei Handbreit über der leeren Öffnung des langen Kastens.
    Yonathan unterdrückte einen Hustenreiz. Mit gemischten Gefühlen bemerkte er, dass die fünf geschlossenen Behältnisse keineswegs leer waren. Schwach nahm er die Umrisse menschlicher Körper wahr. Mehr als vage Schatten konnte er allerdings nicht erkennen. Das Material, aus dem die Särge bestanden, ließ nur wenig von dem blauen Dämmerlicht hindurchscheinen. Yonathan zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Gebeine bedeutender Persönlichkeiten in solch kostbaren Schreinen ruhen mussten.
    Gemessenen Schrittes begann er die Sarkophage abzuschreiten. Sie waren in einem Halbkreis angeordnet. Zwischen je dreien klaffte in der Mitte eine Lücke, in der noch genau ein siebter Platz gefunden hätte. Dort stand ein glatt polierter Sockel, der in Farbe und Struktur dem Keim Din-Mikkiths glich.
    Auf jedem Deckel fand Yonathan zwei Namen und ein Symbol. Alle Schriftzüge und Zeichen waren erhaben aus dem Edelstein herausgearbeitet. Als er die Buchstaben am ersten Sarkophag entzifferte, lief ihm ein ehrfürchtiger Schauer über den Rücken. Yenoach stand dort, der Name des ersten Richters von Neschan. Darunter fand sich ein anderer Name, der Yonathan auf merkwürdige Weise fremd und doch vertraut war: Henoch. Über beiden Schriftzügen prangte das Zeichen des Stabes, die Gesichter des Knaufs waren in feinster Handwerkskunst auf dem smaragdenen Deckel dargestellt.
    Allmählich dämmerte Yonathan, wo er sich befand. Sein Verstand sträubte sich jedoch diese Schlussfolgerung anzuerkennen. Kein Mensch hatte je diesen Ort betreten, einen Ort der Legenden, einen Ort, von dem kaum jemand genau wusste, ob er überhaupt existierte. Im Sepher Schophetim hieß es zwar, dass Yehwoh die Leiber der verstorbenen Richter Neschans in den Bochim zur Ruhe bettete, damit sie dort bis zur Weltentaufe schliefen, aber niemand wusste wirklich, was oder wo diese Bochim waren. Der Name bedeutete in der Sprache der Schöpfung so viel wie »Weinende«. Bochim war ein Sinnbild für das Bedauern, das die Richter im Angesicht des vielfältigen Leids empfanden, mit dem Melech-Arez seine gesamte Schöpfung überzogen hatte.
    Langsam ging Yonathan von einem Sarkophag zum nächsten. Ein wenig stockend las er die übrigen Namen auf den Deckeln. Alle Namenszüge stimmten genau mit denen überein, die sich wie ein Band um den Schaft Haschevets wanden. Zusätzlich zu jedem bekannten Namen gesellte sich ein zweiter, unbekannter hinzu, insgesamt sechs Paare: Yenoach und Henoch, Arayoth und Yambar, Elir und Yekonya, Yehpas und Elia, Ascherel und Tarika sowie Goel und Meng Tse. Mit Beklemmung huschten seine Augen über den schwebenden Deckel des letzten Hohlblocks, auf dem sich Goels Zeichen befand: ein Quadrat, das Symbol für die vollkommen ausgeglichenen Eigenschaften Yehwohs. Goel lebte noch, also war dieser Sarkophag leer. Aber er stand schon da, wartete auf den sechsten Richter.
    Noch einmal schweifte Yonathans Blick zurück zum vorhergehenden Steinsarg. Das Behältnis bestand aus rosafarbenem Beryll. Verschwommen erkannte man die sterblichen Überreste von Ascherel, der einzigen Frau, die sich in den Reigen der neschanischen Richter eingereiht hatte. Etwas an ihrem Sarkophag rührte auf besondere Weise an Yonathans Herz. Ein seltsames Prickeln überlief ihn, als er das Symbol der Richterin näher betrachtete, eine schneeweiße Rose. Die Wahrzeichen aller anderen Richter besaßen die gleiche Färbung wie die Verschlussplatten ihrer Särge. Bei Ascherels Sarkophag war es anders. Blütenblätter, Stängel und selbst Dornen hoben sich in hellem Weiß von dem zarten Rosa ab.
    Irgendwoher kannte Yonathan diese weiße Rose. Aber woher? Er zermarterte sich das Hirn, aber die Erinnerung, nach der er suchte, war genauso undeutlich wie der im Todesschlaf ruhende Leib im Innern des Sarkophags. Warum half das Koach nicht? Sonst konnte er sich doch immer an alles erinnern, selbst an jene Dinge, die man besser schnellstens vergaß. Dasselbe verschwommene Gefühl hatte er in dem

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