Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Glück«, widersprach Benel. »Ein Schritt in die richtige Richtung. Als du allerdings in Abbadon dem Schwarzen Schatten auf den Leim gingst, dachte ich, du hättest wieder alles vergessen.«
»Euch scheint wohl überhaupt nichts zu entgehen«, bemerkte Yonathan zerknirscht.
Benel lächelte geheimnisvoll. »Nicht viel, da magst du Recht haben. Es ist mir allerdings auch nicht entgangen, weswegen du die Stadt betreten hast: um Yomi zu helfen. Das war sehr selbstlos von dir, Yonathan, und Selbstlosigkeit gehört zur Liebe. In einem Punkt muss ich dich allerdings doch noch warnen.«
Aha, jetzt kommt’s!, dachte Yonathan.
»Als du im Schwarzen Tempel den Stab Haschevet gegen den dunklen Schatten erhobst, hast du dich beinahe von schlechten Empfindungen übermannen lassen.«
»Ich weiß, Hass verträgt sich nicht mit der vollkommenen Liebe. Das wolltet Ihr doch sagen, nicht wahr?«
»Nein, Yonathan, das wollte ich nicht sagen. Was die vollkommene Liebe ist, das musst du selbst herausfinden – und du wirst es tun, schon bald sogar. Das Böse zu hassen ist der Liebe edelste Pflicht.«
»So etwas Ähnliches hat Din-Mikkith auch einmal zu mir gesagt.«
»Ein kluges Geschöpf, dieser Din-Mikkith. Aber bleibe du beharrlich auf dem Weg, den du eingeschlagen hast. Gräme dich nicht allzu sehr um den Tod der beiden Männer, die ihre Waffen unklugerweise gegen den Stab Haschevet erhoben haben. In Yehwohs Augen ist jedes Blut kostbar, aber diese Menschen haben ihres über sich selbst gebracht. Yehwoh hat seine Geschöpfe nämlich mit einem freien Willen ausgestattet. Dies ist ein Segen, wenn man diese Freiheit zum Guten nutzt, aber ein Fluch, wenn man sie missbraucht. Achte deshalb stets darauf, dass du dich nie von Hass und Zorn überwältigen lässt und den Stab aus diesem Grunde gegen ein anderes Wesen erhebst – es könnte sein, dass Haschevet dich in einem solchen Fall verzehrt. Du weißt, was das bedeutet.«
Yonathan schluckte. »Ich werde es mir merken, Herr. Allerdings…«
»Allerdings, was?«
»Wie kommt es, dass Felin nichts geschah, als er im Palastgarten von Cedanor das große Schwert mit dem Stab kreuzte? Und warum verbrannte Gimbars Körper nicht, als er im Sterben lag und ich Haschevet versehentlich auf seine Brust legte?«
»Das sind zwei gute Fragen, Yonathan.«
»Könnt Ihr Euch nicht ein wenig genauer ausdrücken?«
Benel lachte leise in sich hinein. »Die Antwort auf deine Fragen musst du selbst finden, denn sie ist der Schlüssel zu der Frage, die dich am meisten beschäftigt: Kann ich je die vollkommene Liebe erreichen?«
Yonathan fühlte sich vor Yehwohs Boten wie ein aufgeschlagenes Buch. Wieder ließ er den Kopf sinken. »Es ist nur… manchmal fühle ich mich so… so unfähig, so unvollkommen. Wie könnte ich je etwas Großes und Makelloses hervorbringen?«
»Hast du dich nicht Yehwoh erboten dein Leben für dasjenige Gimbars hinzugeben?«
Yonathan errötete. »Das wisst Ihr auch?«
»Jemand von größerer Bedeutung als ich hat einmal gesagt: ›Niemand hat größere Liebe als derjenige, der seine Seele zugunsten seiner Freunde hingibt.‹ Du hast diese Liebe bewiesen, Yonathan.«
»Aber ich lebe doch noch. Ich habe höchstens einen Teil von meiner Lebenskraft für Gimbar geopfert.«
»Ohne jedoch zu feilschen. Das ist es, was zählt. Du musst dich nicht sorgen, Yonathan. Deine Lebenskraft ist größer, als du denken magst.«
»Wirklich?« Jetzt hatte Benel etwas angesprochen, das Yonathan seit Wochen beschäftigte. »Dann werde ich meinen Auftrag erfüllen können?«
»Es wird nicht an diesem Punkt scheitern.«
Benels Antworten waren wie Kaninchenbaue – sie verfügten über eine unübersehbare Anzahl von Nebenausgängen. »Warum habt Ihr mich überhaupt hierher gelockt?«, fragte Yonathan. »Das wart doch Ihr, der Kumi seine Stimme geliehen hat, oder?«
»Bar-Hazzats Wut war groß, nach der Abfuhr, die du ihm erteilt hast. Er hätte dich liebend gern umgebracht. Deshalb musste ich einen Weg finden dich möglichst schnell aus dem Sandsturm herauszubekommen.«
»Hm.« Yonathan zuckte die Achseln. »Eigentlich schade. Es wäre lustig gewesen, sich mit Kumi zu unterhalten.«
»Du hast andere Freunde, Yonathan, mit denen du über alles sprechen kannst.«
»Dann ist ihnen nichts passiert?«
»Sie sind wohlbehalten. Bar-Hazzat hat sie verschont. Er denkt im Augenblick ohnehin nur an dich. Aber deine Rettung ist nicht der einzige Grund, warum du hier bist. Du solltest diesen Ort
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