Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
hatte.
»Überzeugend«, lobte Yomi. »Ich hätte es nicht besser machen können.«
Yonathan wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Das war ein hartes Stück Arbeit. Ich bin im Mogeln nämlich nicht sehr geübt. Ehrlich gesagt, Yo, ich hab mich gar nicht wohl gefühlt in meiner Haut.«
Yomi lachte. »Das kann ich mir ziemlich gut vorstellen. So gut kenne ich dich inzwischen schon. Aber hat nicht selbst die Richterin Ascherel einmal gesagt: ›Seid listig wie die Füchse‹?«
»Ich staune, Yo! Du kennst dich ja gut aus im Sepher Schophetim. Es ist nur… Navran hat immer gesagt, dass die Wahrheit eines der wertvollsten Dinge ist. ›Sie ist kein Mantel, den man einfach ablegt, wenn es einem zu heiß wird‹.«
»Habe ich denn etwas Unwahres gesagt?«, fragte Yomi mit einem Lachen. »Ich sagte, dass es so aussähe, als hättest du etwas Schlechtes gegessen. Und ausgesehen hat es doch tatsächlich so – oder etwa nicht?«
Auch Yonathan lachte. »Du bist wirklich ein Fuchs, Yo! Von dir kann ja sogar unser Pirat noch etwas lernen. Wie ist es übrigens gelaufen mit Gimbar? Meinst du, dieser Trith hat wirklich nichts gemerkt?«
»Der war so unheimlich besorgt, dass er nicht das Geringste bemerkt hat. Außerdem – das muss ich zugeben – ist Gimbar wirklich lautlos und geschwind wie ein Eichhörnchen die Strickleiter emporgeklettert.« Yomi straffte die Schultern und erklärte: »Ich glaube, im Klettern könnte er selbst mir gefährlich werden.«
»Es wäre schön, wenn das unsere einzige Sorge bliebe, Yo. Aber jetzt ist es Zeit, uns für die Abreise fertig zu machen.«
Die Zeit wollte überhaupt nicht vergehen und es erschien Yonathan, als warteten sie nicht nur diese eine, sondern mehrere Nächte, ohne dass etwas passierte.
Nur einmal ereignete sich etwas Merkwürdiges: Durch die Ritzen der Decksluke tropfte etwas auf die Planken des Laderaumes herab. Zuerst dachte Yonathan, es hätte zu regnen begonnen. Aber Regen zu dieser Jahreszeit hätte sich durch heftige Windböen bemerkbar gemacht. Prüfend steckte er die Finger in die kleine Pfütze und führte sie an seine Nase.
»Bier!«, rief er.
Yomi stutzte. Auch er tauchte den Finger in die Lache. »Wer sollte hier Bier herunterschütten?«, meinte er skeptisch. »Kirzath hat doch alle Fässer verschlossen.«
»Wer?« Yonathan schmunzelte. »Vielleicht unser Pirat?«
Über ihren Köpfen rumpelte es plötzlich. Sie hörten leises, erregtes Flüstern. Yonathan und Yomi schauten sich fragend an.
Bald herrschte wieder Ruhe. Das Tröpfeln hatte aufgehört.
Wieder verstrich eine Zeit des Wartens. Dann öffnete sich endlich die Luke zu ihrem Verlies und sie konnten den sternenübersäten Nachthimmel sehen. Ein dunkler Körper schob sich vor die funkelnden Sterne und sie hörten Gimbar flüstern: »Das letzte Schiff nach Cedanor legt in wenigen Augenblicken ab. Alle Passagiere werden gebeten jetzt an Bord zu gehen.«
Sofort schob Yomi Yonathan zur Strickleiter, die Gimbar herabgelassen hatte, und kletterte selbst als Letzter ins Freie.
»Duckt euch«, ermahnte Gimbar seine beiden Freunde. »Auf dem Vorschiff hocken noch zwei Wachen.«
Yonathan entdeckte dicht bei der Luke zwei reglos daliegende Gestalten. »Gimbar!«, flüsterte er. »Du hast sie doch nicht etwa…?«
»Nicht, was du denkst«, beruhigte ihn der Pirat. »Sie schlafen nur.«
»Aber wie…?«
»Das erzähl ich euch später. Kommt jetzt.«
Beunruhigt stellte Yonathan fest, dass die Sterne, der Mond und die Positionslichter das schwarze Schiff in gleißendes Licht tauchten. Wenn er alles so deutlich sehen konnte, waren Yomi, Gimbar und er dann nicht ebenso klar zu erkennen? Seine Rechte umklammerte Haschevet. Es war wohl nur der Stab, der seinen Augen einen Streich spielte. Er hatte sich dank Haschevet ja selbst in der undurchdringlichen Finsternis des Ewigen Wehrs noch gut zurechtgefunden.
Gimbar führte sie geschickt von Deckung zu Deckung. Unter seinem Arm trug er die zusammengerollte Strickleiter, die er bei der Ladeluke gefunden hatte. Nach kurzer Zeit legte er das Bündel ab und zog etwas aus der Tasche.
»Was machst du da?«, flüsterte Yomi aufgeregt.
»Ach, das sind nur Knöpfe, die ich den Wachen abgenommen habe. Ich muss sie an ihre Pflicht erinnern. Wenn sie zu lange schlafen, werden sie womöglich erst beim Wachwechsel aufgeweckt. Man würde nach uns schauen und unsere Abwesenheit feststellen – vielleicht zu früh.«
»Und so werden sie feststellen, dass die Strickleiter
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