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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wie lange ihre Körper noch ohne Schlaf auskämen oder wie lange sie noch die Kraft hätten, mit dem hereinbrechenden Wasser fertig zu werden? Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein großer Brecher käme, um sie endgültig zu zerschmettern.
    Die ersten Anzeichen des Unwetters hatten sich bereits am Abend nach ihrer Flucht von der Narga gezeigt. Von Westen her flog mit beängstigender Geschwindigkeit eine schwarze Wand aus Wolken heran und die Dämmerung schrumpfte auf einen winzigen Zeitraum zusammen. Das Ganze lag nun mehr als einen Tag zurück. Mitternacht war längst vorüber, ohne dass der gewaltige Sturm auch nur im Geringsten nachgelassen hätte.
    Zum wiederholten Mal schickte Yonathan ein Stoßgebet zu Yehwoh. Während er sich mit dem Eimer abplagte, kamen ihm Navrans Worte in den Sinn: »Yehwoh kann uns aus jeder Situation retten.« Navran wusste, was er sagte. Er war weit gereist und hatte viel erlebt.
    »Da vorne… Da ist etwas!«, brüllte Gimbar.
    Yonathan und Yomi fuhren herum.
    »Was kann das sein?« Yonathan versagte fast die Stimme. Was er da sah, war wirklich unglaublich! Vor ihren Augen erhob sich eine flache Insel aus dem Meer. Aber das konnte nicht sein, in diesem Sturm, bei völliger Dunkelheit! Selbst in einer sternenklaren Vollmondnacht hätten die Umrisse dieses Eilands allenfalls als schwarze Silhouette erkennbar sein dürfen. Aber nicht als ein solch grünes Schimmern!
    Je mehr sich die Mücke dem nächtlichen Gebilde näherte, umso größer wurde es. Bald füllte die leuchtende Erscheinung ihr gesamtes Blickfeld. Yonathan umfasste den Stab und er spürte, wie seine Gefühle in Wallung gerieten. Neben ihm stand Yomi, der wie gebannt auf die schimmernde Erscheinung starrte, und Yonathan spürte die Furcht, die den Gefährten erfüllte. Doch da war noch mehr in seinem Innern, der Klang sonderbarer Gefühle, eine fremde Stimmlage, die er nicht verstand.
    »Wir müssen umkehren«, murmelte Yomi. Er drückte sich gegen die Bordwand, als wolle er sie und mit ihr die fremdartige Erscheinung im Meer wegstemmen. »Schnell, fort von hier!«, rief er.
    Gimbar warf Yonathan einen ratlosen Blick zu. »Wir können in diesem Sturm nicht manövrieren«, rief er zu Yomi hinüber. »Vielleicht können wir ja an dieser Insel landen. Jedenfalls ist das besser, als hier im Meer früher oder später zu ertrinken.«
    »Aber du kennst dich doch in diesen Gewässern aus. Hast du je davon gehört, dass es hier vor dem Südkamm Inseln gibt?«
    Gimbar musste Yomi Recht geben. Dieser Küstenstrich war bekannt dafür, dass es im ganzen Umkreis keine einzige Insel gab. Aber die Mücke war lange Zeit vom Sturm hierhin und dorthin getragen worden – wer konnte da schon genau sagen, wo sie sich jetzt befanden? »Und was schließt du aus alldem?«, wollte Gimbar wissen.
    »Das muss ein Traumfeld sein!«, stammelte Yomi mit starrem Blick.
    »Ein Traumfeld? Ist das wieder eine von deinen Seemannsgeschichten?«, wollte Yonathan wissen, der bemerkt hatte, dass auch Gimbars nüchterne Sachlichkeit Risse bekam.
    »Das sind nicht bloß Geschichten«, beteuerte Yomi. »Schon so manche Schiffsbesatzung ist für immer verschwunden, wenn sie sich des Nachts einer solchen Insel anvertraut hat.«
    »Ich weiß aber, dass wir uns vor diesem Etwas da draußen nicht zu fürchten brauchen. Es…«
    Yonathan stockte. Das ganze Schiff bebte plötzlich, ächzte wie unter Schmerzen. Gimbar riss geistesgegenwärtig das Ruder herum, doch zu spät: Mit einem Ruck kam die Mücke zum Stillstand und Yonathan – in Gedanken noch ganz bei den Inseln, die sich komplette Schiffsbesatzungen einverleibten – ging über Bord. Er versank in den eiskalten Fluten, fühlte Panik in sich aufsteigen. Doch dann spürte er Boden unter den Füßen. Nichts wirklich Festes, eher einen Untergrund, der gerade etwas weniger nachgiebig war als das Wasser, das ihm bis zum Bauch reichte. Er blinzelte, suchte die Mücke. Als seine Hände die Bordwand fanden, entschlüpfte Gurgi ihrem Versteck und flüchtete, nass und verängstigt, an Bord des Segelschiffes.
    »Wir sind aufgelaufen«, stellte Yonathan fest.
    »Was du nicht sagst«, erwiderte Yomi trocken und streckte Yonathan die Hand entgegen.
    »Wie wär’s, wenn wir uns ein wenig umsehen?«, schlug Gimbar vor.
    »Keine schlechte Idee«, stimmte Yomi zu. »Komm, Gimbar, werfen wir den Anker.«
    Yonathan war erleichtert: Haschevet lag noch im Schiff. Erst einmal ins Wasser gefallen, wäre der Stab womöglich für immer

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