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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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der Gäste. Unter den Tischen und Bänken lagen fast so viele Betrunkene, wie an den Tischen saßen. Gimbar hob entschuldigend die Schultern und erklärte mit schiefem Lächeln: »Dies ist eine Seemannskneipe. Sie überwintern hier.« Yonathan wäre am liebsten sofort wieder umgedreht und hinausgerannt, aber Yomi pflichtete Gimbars Empfehlung bei. »Es wird ziemlich schwer sein, uns hier drin zu finden.«
    Sie saßen in der hintersten Ecke des Gastraumes. Gimbar hatte kurzerhand zwei, drei laut schnarchende Betrunkene zur Seite geräumt und den Tisch aus ungehobelten Holzbohlen für sie in Beschlag genommen. Jemand, der den Kopf zur Schanktür hereinsteckte, würde wohl kaum den Dunst durchdringen und sie entdecken können. Bei einem warmen Bier, an dem Yonathan nur deshalb widerwillig nippte, weil es in der stickigen, finsteren Kaschemme nichts Besseres gab, erzählte er die Erlebnisse der vergangenen zwei Stunden.
    »Und du sagst, dass er einen sehr großen Dolch bei sich trug?«, fragte Gimbar nach.
    »Ja doch. Ein Riesending! Er hatte einen Ebenholzgriff mit silbernen Verzierungen. Nun sag’s schon, Gimbar. Du kennst diesen Halunken, stimmt’s?«
    »Ich kenne einen Mann, auf den diese Beschreibung leider ganz genau zutrifft.« Gimbars Finger wanderten unbewusst zur gebogenen Nase.
    »Du scheinst ihn nicht in bester Erinnerung zu haben.«
    »Wenn es der ist, den ich meine – sein Name lautet Ason –, dann müssen wir uns vorsehen.«
    »Ein seltsamer Name«, sinnierte Yonathan. »Bedeutet er nicht in der alten Sprache so viel wie ›tödlicher Unfall‹? Wie kann ein Mann nur so heißen?«
    »Sicher hat er den Namen nicht von Anfang an gehabt. Aber wenn du ihn kennen würdest, dann wüsstest du, dass er ihn sich verdient hat. Ason ist gefährlich!«
    Yonathan und Yomi blickten mit einer Mischung aus Besorgnis und Spannung in Gimbars Gesicht. »Das Männchen sah eher abstoßend aus«, gab Yonathan zu bedenken. »Ich würde sagen, dass er mir höchstens bis zur Schulter reicht.«
    »Das ist es nicht«, unterbrach ihn Gimbar. »Ason ist kein Kämpfer. Seinen großen Dolch würde er höchstens gebrauchen, wenn er damit jemanden von hinten niederstechen könnte – und das auch nur im Dunkeln. Er dient ihm mehr zur Hebung des Selbstwertgefühls.«
    »Ich glaube, ich weiß, was du meinst.«
    »Ja, Ason ist eine Schlange, die im Gras lauert. Wenn du nicht daran denkst, dann trittst du drauf und sie schnappt zu.« Gimbar machte eine Geste mit den Fingern seiner rechten Hand, die Yomi zusammenzucken ließ. »Vor fünf Jahren stieß Ason zu den Piraten von Kartan, zur gleichen Zeit wie Sargas und Blodok. Er hatte schon damals keinen besonders guten Ruf und niemand schien ihn zu mögen. Als dann vor etwas weniger als drei Jahren Sargas und Blodok ohne Doldan, unseren Anführer, nach Kartan zurückkehrten, blieb auch Ason verschwunden. Ich habe mir damals meine eigenen Gedanken dazu gemacht.«
    »Du glaubst, Ason war der ›tödliche Unfall‹, den Doldan erlitten hatte?«, fragte Yomi.
    Gimbar nickte mit düsterer Miene. »Dieser Ason tut für Geld alles. Wenn er dir dreimal, selbst beim Namen Yehwohs, schwört, dann kannst du sicher sein, dass er sechsmal gelogen hat. Er würde sogar mit Bar-Hazzat einen Bund schließen, wenn er sich davon irgendeinen Vorteil erhofft.«
    »Du meinst, er könnte im Auftrag Sethurs nach uns Ausschau halten?«
    »Genau das meine ich«, bestätigte Gimbar. »Ason kennt sich in Meresin aus wie unter seiner Augenklappe. Das Beste wird sein, wir begeben uns irgendwohin, wo es viele Menschen gibt, wo es unübersichtlich ist. Dort warten wir den Einbruch der Dunkelheit ab und begeben uns dann so schnell wie möglich zurück zur Mücke.«
    »Vor dem Stadttor lagern ständig Leute«, erinnerte sich Yomi, »fahrende Kaufleute, die zu geizig sind Geld für eine Herberge auszugeben, oder solche, die auf die Abreise ihrer Karawane warten. Wir könnten dort bleiben, bis bei Sonnenuntergang die Stadttore geschlossen werden, und uns dann im Schutze der Dunkelheit davonschleichen.«
    Gimbar nickte. Dann huschte ein Lächeln über seine Lippen, und er stieß Yonathan in die Seite. »Wie gut, dass wir jemanden haben, der sich in dieser schlimmen Stadt auskennt!«
    Vor dem Nordtor von Meresin herrschte großer Trubel. Man nannte es das Eistor, weil es dem fernen Drachengebirge mit seinen schneebedeckten Gipfeln zugewandt war. Vielleicht auch, weil von hier die Nördliche Handelsroute bis hinauf in die kalte

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