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Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
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mich auf, doch da setzt er schon zurück und fährt auf die Straße
hinaus, ohne dass ich ihn habe aufhalten können.
    Ich
setze mich in meinen Chrysler, umklammere fest das Lenkrad und schließe für
zehn Sekunden die Augen.
     
    29
     
    »Haughtaling
Hollow?«, fragt die Frau vor der Kirche. »Ja, das liegt ein paar Meilen in
dieser Richtung.«
    Sie
zeigt nach Norden den Highway 28 entlang und befiehlt ihrem Hund, einer
grauschwarzen, gemischtrassigen Geschichte mit einem alten Strumpf im Maul,
auf dem Kies ruhig sitzen zu bleiben.
    »Da
kommt eine Straße, die heißt Haughtaling Hollow Road. Rechts ab bei einer Steigung, fahren Sie langsam, dass Sie
sie nicht übersehen.«
    Ich
danke ihr und steige wieder ins Auto. Fahre weiter laut ihren Anweisungen, und
nach ein paar Minuten taucht tatsächlich ein schmaler Weg rechts vor mir auf
und ein Schild mit dem unheilvollen Namen. Zumindest finde ich, dass er unheilvoll
klingt.
    Haughtaling
Hollow Road? Das
würde gut in einen Horrorfilm der B-Klasse passen, man braucht nur den
Sonnenschein und die Uhrzeit auszutauschen: dunkler Abend und ein Unwetter
über den Bergen, ein einsamer, verirrter Privatdetektiv steigt aus dem Auto und
betrachtet das abgeblätterte Schild, das zufällig von einem aufflammenden
Blitz erleuchtet wird. Düstere Vögel schreien drohend in der Ferne.
    Aber
ich brauche nicht auszusteigen, um den Namen zu le sen,
die Sonne scheint immer noch, und ich biege, ohne zu zögern,
auf den schmalen Kiesweg ein. Es ist Viertel nach zwei am Nachmittag, ich fahre
an ein paar Höfen und einigen Silos vorbei, die Felder liegen abgeerntet da,
hier und da sind sie bereits gepflügt. Der Weg führt hinunter in ein enges Tal
zwischen zwei langgestreckten Hügelketten, mal mit Wald bewachsen, dicht und
wild, wie es scheint, mal Höfe und offene Landschaft. Einige Häuser und Höfe
sehen verlassen aus, andere sind in der üppigen Vegetation kaum zu sehen. Autos
und Autowracks schmücken mehrere Hofplätze, und in regelmäßigen Abständen
tauchen Schilder aus den Gräben auf, die verkünden, dass das Land privates
Eigentum ist und jede Form der Übertretung zur Anzeige gebracht wird. Da ich
keine weiteren Informationen bekommen habe, folge ich langsam dem Weg weiter.
Mir begegnet nicht ein Fahrzeug, ich sehe keinen einzigen Menschen.
    Nach
einer Weile, zehn, fünfzehn Minuten, gelange ich an eine Kreuzung, Joseph Palmer
Road, ich fahre weiter geradeaus, und nach einer
heftigen Steigung komme ich an einem sehr schön gelegenen Hof mit dem
evangelischen Namen The Promisedland vorbei - aber nach weiteren wohl zehn
Minuten, drei oder vier verfallene Häuser später, hat sich die Atmosphäre
vollkommen verändert.
    Die
Haughtaling Hollow Road geht
plötzlich mitten in einer lichten Waldpartie zu Ende, hier gibt es eine enge
Wendeschleife, ein Berg schwarzer Müllsäcke liegt im Gebüsch, und eine
Vielzahl von Schildern verkündet, dass Fremde nicht willkommen sind. Ich halte
an, steige aus und lese ein gelbes Pappschild an einem Baumstamm neben einem
Pfad, der in Verlängerung der Straße weiterführt:
     
    Posted. Private property. Stay out! Violators and
trespassers will be prosecuted to the extent of four hungry bloodhounds that
are not known to be overfriendly with strangers and a pair of double-barreled
rifles that will not be loaded with rubber bullets.
     
    Vielleicht
ist das ein Scherz, vielleicht aber auch nicht. Das kann ich nicht entscheiden.
Während ich neben dem Wagen stehe, die herbe Botschaft übersetze und eine
weitere Zigarette rauche, versteckt sich die Sonne hinter Wolken, und in der
Ferne kann ich das Geräusch von Gewehrschüssen hören. Nicht nur einen,
mindestens ein halbes Dutzend. Plötzlich ist die Luft kalt, mir wird klar, dass
ich mich auf fremdem Territorium befinde, und die dünne Blase von Zuversicht,
die mich umgeben hat, seit ich Manhattan verlassen habe, selbst noch im Buffalo Zack's, platzt innerhalb von drei Zügen.
    Es
ist schwer zu ignorieren, unmöglich zu bekämpfen, dieses subtile, aber
deutliche Gefühl der Feindseligkeit, der Fähigkeit der Umgebung, von einem
Augenblick zum anderen die Gestalt zu verändern; wie ein scharfer,
unerwarteter, plumper Strich mit dem Bogen über die losen, ungestimmten Saiten
eines Cellos oder das Kratzen eines Messers auf dem Boden eines Topfs, ein
Signal, das sich von der Schädeldecke und dem Herz weit bis in die dünnsten,
empfindlichsten Haargefäße ausbreitet und das gesamte System im

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