Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
Vom Netzwerk:
Bruchteil
einer Sekunde zerfrisst.
    Eine
grauschwarze Schlange ringelt sich über den Wendeplatz und verschwindet unter
den Müllsäcken. Sie ist höchstens dreißig Zentimeter lang, vielleicht ist sie
nicht einmal giftig und scheint auch an meiner Anwesenheit überhaupt nicht
interessiert zu sein. Aber ich habe schon immer Probleme mit Schlangen
gehabt. Ich drücke die Zigarette aus, setze mich wieder ins Auto und fahre
schnell zurück auf den Highway 28.
     
    Die
Stimmung diffuser Bedrohung nimmt langsam ab, nachdem ich wohlbehalten hinter
dem Lenkrad angekommen bin. Dreißig Minuten später stehe ich erneut vor Buffalo Zack's, dieses Mal parkt kein anderes Fahrzeug davor. Ich
ducke mich unter der Flagge und trete ein; Rosie, der traurige Berg, steht immer
noch hinter dem Tresen, es sieht fast so aus, als hätte sie auf meine Rückkehr
gewartet. Ich gehe direkt auf sie zu, bevor ich mich noch selbst bremse.
    »Ich
brauche eine Information«, erkläre ich.
    Sie
nickt, sagt aber nichts. Betrachtet mich mit wässrigen Augen, ohne eine Miene
zu verziehen.
    »Die
beiden Männer, die vor einer Stunde hier gesessen haben, ich würde gern in
Kontakt mit ihnen kommen.«
    »Ja?«
    »Vor
allem mit dem mit der Lederweste und dem schwarzen Hut.«
    Sie
scheint mit sich selbst zu Rate zu gehen, bevor sie antwortet.
    »Mit
dem Kleineren von beiden?«
    »Genau«,
bestätige ich. »Mit dem Kleineren.«
    »Fred
Sykes«, sagt sie. »Er heißt Fred Sykes.«
    »Danke«,
sage ich. »Und wissen Sie auch, wo er wohnt?«
    Sie
zögert ein paar Sekunden lang. Kratzt sich an den Unterarmen und atmet schwer,
als wäre so eine einfache Bewegung bereits viel zu anstrengend für sie.
    »Der
wohnt hinten in Timberton«, sagt sie. »Mit seiner alten Mutter. Die muss inzwischen schon neunzig sein, er hat sich sein ganzes Leben
lang um sie gekümmert.«
    Ich
nicke. »Timberton? Wie komme ich dorthin?«
    »Fünf
Meilen die 28 entlang Richtung Oneonta«, sagt sie. »Timberton Road rechts. Der zweite... nein, warten Sie, der dritte Kasten
auf der linken Seite.«
    Ich
darf mir Stift und Papier ausleihen und schreibe ihre Angaben auf.
    »Also
etwas weiter als Haughtaling Hollow?«, frage ich. »Genau«, bestätigt Rosie.
»Eine halbe Meile oder so.«
    »Danke«,
sage ich. »Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe.«
    »Er
ist nicht ganz klar im Kopf«, sagt sie. »Ist er noch nie gewesen, der Fred
Sykes. Hat er von seinem Vater.«
     
    Ich
fahre weiter nach Delhi. Halte am südlichen Stadtrand und nehme in einem
kleinen Lokal, das The Happy Hunter
heißt, ein spätes Mittagessen zu mir. Es vermittelt einen etwas freundlicheren
Eindruck als Buffalo Zacks,
aber nicht viel. Omelette mit Bohnen auf Toastbrot und ein einfacher Salat,
noch ein Leichtbier und noch eine Tasse schlechten Kaffee - die Wirtin wiegt
höchstens sechzig Kilo und redet verschlafen über nichts Aufregenderes als das
Wetter und die Bauarbeiten, die seit achtzehn Monaten direkt vor ihrem
Restaurant ablaufen und die die Leute nun wirklich nicht dazu bringen, hier zu
halten und einen Happen zu essen. Absolut nicht.
    Als
ich Delhi verlasse, ist es halb fünf; der Himmel hat sich verdunkelt, Regen
hängt in der Luft. Einige Minuten überlege ich, einfach bis zum nächsten
kleinen Ort zu fahren - Andes, wenn
ich mich recht erinnere, dort, wo ich John B. Stratton vor ein paar Stunden
aufgesammelt habe -, mir dort ein Zimmer für die Nacht zu nehmen und gründlich
darüber nachzudenken, wie ich mich in Zukunft verhalten soll.
    Um
mich dann wieder Richtung Westen zu wenden und Fred Sykes und seine neunzigjährige
Mutter in Timberton aufzusuchen beispielsweise. Ihn festzunageln und zu
fragen, was zum Teufel er damit gemeint hat, ich sollte in Haughtaling Hollow
suchen.
    Aber
ich bin dazu nicht in der Lage. Diese unbekannten Orte und Menschen in dieser
fremden Landschaft beunruhigen mich und machen mir Angst. Das sichere Bild von
Manhattan und den langsam sich verfärbenden Bäumen entlang der Leroy ist allzu
verlockend. Ich fahre stattdessen weiter Richtung Osten, durch die Catskills,
zurück, und kurz nach sechs Uhr bin ich wieder auf der Interstate 87 in Höhe
von Kingston. In den letzten Stunden hat es in Strömen gegossen, jetzt lässt
der Regen etwas nach, aber er hört auf der gesamten Rückfahrt nach New York
City nicht ganz auf. Erst als ich mich wieder auf der George Washington Bridge
über dem dunklen Wasser des North River befinde.
    Die
Eindrücke des Tages sausen mir im Kopf herum.

Weitere Kostenlose Bücher