Nessie und die Geister der MacLachlan
wenig auflösten, mattsilbern schimmerte. In den Einschnitten der Berge am anderen Ufer hing Nebel. Er stieg noch nicht auf.
„Man müßte wissen, welche Gewohnheiten Nessie hat, wann es schläft, wann es frißt und wann es an die Oberfläche kommt“, meinte Cedric.
„Dann wäre das Problem doch schon längst gelöst, Mann.
Du gefällst mir, da willst du hunderttausend Pfund, aber ein anderer soll dir sagen, was Nessie ist und wo du’s treffen kannst.“ Sie gab Cedric das Fernglas zurück.
Cedric guckte wieder durch, und da riß es ihn hoch. „Drüben, dicht am anderen Ufer ist eine schlangenartige Spur auf der Wasseroberfläche zu erkennen!“
„Wo? Zeig her!“ Goody riß ihm das Fernglas weg.
„Hast du sie?“ rief Cedric aufgeregt.
„Ist ja ganz genau zu erkennen. Ha, und jetzt hab ich noch was im Visier.“
„Und was?“
„Den Wasserschifahrer, der dort drüben Slalom trainiert.“ Cedric hätte beinahe geflucht, aber dann fiel ihm ein, daß er Goody noch nicht nach den Geräuschen gefragt hatte.
„Goody“, begann er mit einer ganz anderen Stimme, „hat dich heute nacht etwas erschreckt?“
„Heute nacht?“ Sie überlegte. „Ich bin heute nacht zu Mac ins Bett. Nicht, weil ich mich fürchtete, nur weil ich nicht allein sein wollte. Denn das mit dem Jocelyn Webb war mir doch ein bißchen unheimlich.“
„Hast du kein wüstes Rauschen, Klatschen, Prusten und Schnauben und auch Heulen aus dem Badezimmer gehört?“
„Nein, nur Mac hat mich einmal mit seinem Schnarchen aufgeweckt, aber dann brauch ich bloß mit der Zunge zu schnalzen, da hört er sofort auf.“
„Ich versteh das nicht. Und hast du auch nicht gemerkt, daß Tante Jessie sofort Tante Sarah beschimpfte, als dein Vater sie nach diesen Geräuschen fragte?“
„Jessie schimpft immer auf Sarah, und Sarah schimpft auf sie. Das verbindet sie, verstehst du? Mac sagt, das ist auch eine Art von Geschwisterliebe, zumindest von Zuwendung. Jede von ihnen wäre furchtbar traurig, wenn sie die andere nicht mehr hätte. Und jede will über die andere herrschen. Jessie, weil sie die ältere ist und glaubt, mehr Erfahrung zu haben. Und Sarah, weil sie die jüngere ist und meint, noch etwas heller im Kopf zu sein als ihre anderthalb Jahre ältere Schwester. Dabei, sagt Mac, wird ihr Altersunterschied immer bedeutungsloser, je älter sie werden.“
„Dein Vater kann das alles so gut ausdrücken“, meinte Cedric anerkennend. „Schade, daß er wenig Ahnung von Sauriern hat. Ich würde gern über ihr Verhalten und über meine Theorie mit ihm sprechen. Und da war noch etwas, Goody... Heute nacht war etwas in meinem Bett.“
„Was?“ schrie Goody. „Und da hast du nicht um Hilfe gerufen? War es ein Gespenst?“
„Nein, reg dich nicht auf. Es war nur ein Kaninchen.“
„Ein Kaninchen? Igitt!“
„Ich hab’s genau gesehen. Ich hab zwar keine Nachttischlampe, aber ich bin extra auf gestanden und hab mir meine Taschenlampe aus dem Koffer geholt. Es lag ganz ruhig da, und als ich es anleuchtete, schimmerten seine Augen rötlich.“
„War es ein Stallhase?“
„Nein, ein Wildkaninchen. Es sah aus wie das, das ich gestern aus der Schlinge holte.“
„Das war bestimmt nur ein Traum“, meinte Goody. „Mac nennt das Tagesresttraum.“
„Aber ich hab es gespürt, es war ganz warm, ich mußte mich abdecken, und im Zimmer war es doch eigentlich kühl.“
„Dann war es eben ein Leibreiztraum, wie Mac das nennt. Dir war es einfach zu warm, und da hast du dir ein Kaninchen dazugeträumt.“
„Ich gehe jede Wette ein, daß das Kaninchen wirklich da war. Aber wie ist es herein- und hinausgekommen?“
Plötzlich kam Wind auf, der sofort die helleren Löcher in der Wolkendecke schloß. Lastend und schwer hingen die Wolken nun wieder über dem Loch, auch der Nebel in den Bergfalten geriet in Bewegung und stob durch den Wind in die Wolken hinauf.
„Und das im Sommer!“ seufzte Goody. „Da wird dir so manches klar, wenn du das hier siehst.“
„Und was zum Beispiel?“
„Daß die Bäume und Tiere sich hier oben nicht mehr halten können, nur Sumpf- und Moorpflanzen und Moorhühner. Und weiter unten dann die Kaninchen... Vielleicht war tagsüber die Tür offen, und da ist dein Kaninchen die Treppe hoch in dem Zimmer...“
„Ich hab vor dem Schlafengehen unters Bett geguckt.“
„Und heute morgen?“
„Auch.“
„War die Schranktür offen? Vielleicht wohnt es darin.“ Da die ersten schweren Regentropfen fielen, erhoben
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