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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Sonst blieb nicht viel vom Gehalt übrig. Was suchte man noch?
    Junges Zickel ... Hausknecht ... Schäferhund ... Nähmaschine ... guterhaltener Schweinetrog ... Waschfrau ... Kindermädel ... halt, da war was! Hatte Elli sie nicht am liebsten als Kindermädel mit nach Kiel nehmen wollen? Hatte sie Bübchen nicht oft genug versorgt? Zu einer Kindermädelstelle konnte sie sich mit gutem Gewissen melden. Und was das Beste daran war, sie erhielt freie Wohnung und Kost. Von dem Gehalt konnte sie dann die Rückreise bestreiten. Herrlich ... Annemaries Herz hüpfte vor Seligkeit. Noch einmal studierte sie die Anzeige: Kindermädel gesucht, Parkstraße 2. Dann machte sie sich auf den Weg, um ihr Glück zu versuchen.

Kindermädel
     
    Ein geschmackvolles, weißes Landhaus, mit blauen Klematisglocken über und über behangen, lag im sonnendurchleuchteten Garten. Das war Parkstraße Nr. 2. An der weißen Holzgittertür war ein Porzellanschild angebracht. »Dr. med. Waldemar Lange, praktischer Arzt. Sprechstunde 8-10, 4-6 Uhr«, stand darauf. Annemarie zog die Messingklingel. Die Tür öffnete sich von selbst. Den resedabesäumten Steig unter schwerbeladenen Obstbäumen schritt Annemarie entlang bis zur Steintreppe. Hinter dem Hause wurden Kinderstimmen laut. Sicher ihre zukünftigen Zöglinge.
    Die Eingangstür wurde geöffnet. Annemarie stand in der Diele vor einem Mädchen mit Latzschürze und weißem Häubchen.
    »Sprechstunde ist schon vorüber. Sie müssen nachmittags um vier wiederkommen«, teilte ihr der dienstbare Geist mit.
    Annemarie mußte lachen, daß man sie für eine Patientin hielt.
    »Ich komme auf die heutige Annonce, um mich als Kindermädchen vorzustellen.«
    »Ach so.« Das Mädchen schlug sogleich einen vertraulichen Ton an. »Nu, da kummen Sie rein; Ihren Rucksack können Sie hier lassen. Aber wenn Se können nich gleich zuziehen, denn is es nischte. Ich muß zu meiner Muttel daheime, die is krank ...« Damit öffnete das Mädchen die Tür zum Balkonzimmer und ließ Annemarie eintreten.
    Auf dem Balkon, der in den Hintergarten hinausschaute, war eine Dame mit glattgescheiteltem braunen Haar mit Zuschneiden von Kinderhöschen beschäftigt.
    »Gnädige Frau, hier war' ein Kindermädel auf die heutige Annonce«, meldete das Mädchen.
    »Das junge Mädchen kann zu mir auf den Balkon herauskommen.« Freundliche braune Augen blickten der näher tretenden Annemarie prüfend entgegen.
    »Guten Tag, liebes Kind. Ich brauche sofort Ersatz für mein Kindermädel, sind Sie frei?«
    »Ja ... ich könnte gleich zuziehen.« Annemarie pochte das Herz, als ob es galt, das Abiturientenexamen zu bestehen.
    »Haben Sie Ihre Zeugnisse da?«
    Das junge Mädchen erblaßte. An die Notwendigkeit von Zeugnissen hatte sie nicht gedacht. Besaß sie doch nur ihre Schulzeugnisse.
    »Ich war noch nicht in Stellung ... ich habe nur bei Verwandten geholfen.« Das kam etwas unsicher heraus.
    »Dann wissen Sie auch nicht mit Kindern umzugehen?«
    »O doch, ich habe den Kleinen dort meistens ganz allein besorgt, und ich habe Kinder riesig gern.« Die Blauaugen strahlten die Dame vertrauenerweckend an.
    »Das ist mir lieb. Und was verstehen Sie von Hausarbeit?«
    »Ich kann Zimmer aufräumen.« Das hatte sie wirklich schon mal getan, als das Hausmädchen zu Hause krank gewesen war.
    »Na, was Sie nicht verstehen, zeige ich Ihnen. Sie sind ja jung und können noch lernen. Wenn Sie nur willig sind.«
    »Das werde ich sicher sein«, versprach das neue Kindermädel treuherzig.
    »Kinderwäsche müssen Sie natürlich waschen.«
    »Natürlich«, erklärte sich Annemarie einverstanden und hatte keine Ahnung, wie man das machte.
    »Wie sind Ihre Gehaltsansprüche?«
    Annemarie dachte angestrengt nach. So viel, daß ich die Reise nach Berlin bezahlen kann ... das konnte sie doch der Dame unmöglich sagen.
    »Mein jetziges Mädel erhält siebzig Mark im Monat. Ich würde Ihnen dasselbe geben. Bin ich zufrieden, lege ich zu. Ist Ihnen das recht?« fragte die Dame.
    »Ja, natürlich.« Eine Fahrkarte dritter Klasse bekam man dafür sicher nach Berlin.
    »Schön, dann will ich's mit Ihnen versuchen, obwohl ich sonst nie ohne Zeugnisse oder Erkundigungen einstelle. Aber ich bin in Verlegenheit. Und ich denke, daß ich mich nicht in Ihnen täusche. Hoffentlich bleiben wir lange beisammen.«
    »Ich hoffe gerade das Gegenteil«, dachte Annemarie und schämte sich, daß sie in Gedanken das Vertrauen der netten Dame täuschte. Aber was wollte sie machen?

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