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Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Titel: Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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alle drei zusammen«, beruhigte Marlene die Kusine.
    »Ja, aber morgen habe ich nur Sprachfächer - o Gott, haltet die Daumen, daß solch ein oller bärbeißiger Professor bloß nicht beißt!«
    »Dann beiß wieder«, lachte Annemarie. »Ich habe nicht die Bohne Bammel vor morgen.«
    Untergeärmelt zogen sie unter solchen Gesprächen den Burgweg nach dem Schloß Hohentübingen hinauf. Bis zum Abendessen war noch eine Stunde Zeit.
    Von dort oben genoß man sicher einen schönen Sonnenuntergang. Die vielzackigen Giebel der Altstadt kletterten, je höher die jungen Mädchen kamen, um so tiefer den Burgberg herab. Das war ein lustiges Übereinander und Durcheinander von Zacken und Spitzen. Jetzt standen die drei Freundinnen vor dem alten Steinmassiv der mittelalterlichen Burg. Das wuchtige niedrige Steintor mit seinem breiten Rundbogen hemmte sofort Ilses Schritt.
    »Wundervoll, das müßte mein Vater sehen!« Das Bauratstöchterlein betrachtete eingehend die kunstvollen Skulpturen, Wappen, eingravierten Sprüche und Zahlen.
    »Wieviel Kriegsstürmen mag dieses Tor im Mittelalter getrotzt haben.« Sinnend sah Marlene auf die gewaltigen Steinmauern.
    »Eine herrliche Rundsicht muß man oben vom Schloßaltan haben, flink, kommt!« Annemarie drängte weiter.
    »In welchem Stil ist das Schloß erbaut?« examinierte Ilse.
    »Ist ja ganz schnuppe - die Sonne geht unter, ehe wir den Blick genossen haben.
    Den Stil können wir ja nachher auch noch ergründen.«
    Nesthäkchen war schon um eine Pferdelänge voraus.
    »Renaissancestil ist es, du ungebildetes Ding. Die Sonne hast du auch in Charlottenburg jeden Abend untergehen sehen. Aber das Schloß Hohentübingen bewunderst du heute zum ersten Mal.«
    »Was mag das Schloß hier während der Bauernkriege alles mit angeschaut haben!« Marlene hatte mehr Sinn fürs Historische.
    »Renaissancestil und Bauernkriege - was gehen die uns an einem so herrlichen Frühlingsabend an! Heute leb' ich - heute genieß' ich!« Annemarie stürmte kurzentschlossen den anderen voran in das Innere des Schloßhofes zu dem »Lueg ins Land«, von dem man den schönsten Ausblick haben sollte.
    »Bravo - bravo - hahaha, das nenn' ich halt lebensfreudig und jugendfrisch! Was kümmert uns Bücherweisheit und steinerne Vergangenheit, wenn das blühende Leben einem lacht.«
    »Von all den drei Mädeln so schlank und so hold, gefällt mir am besten die eine, die Augen so strahlend, die Haare wie Gold, errät ihr's halt, welche ich meine!«
    Lachende Studentengesichter tauchten an einem der Schloßfenster auf. Keck brachten sie im Chor den drei hübschen Mädeln ein Ständchen.
    Ilse wurde so rot wie ihr rotweißgepunktetes Kleid. Marlene runzelte die Stirn.
    Nesthäkchen aber rief forsch: »Danke vielmals für den musikalischen Kunstgenuß!«
    »Wen meinten sie eigentlich von uns drei holden Grazien?« Ilse kicherte in sich hinein.
    »Mich ganz gewiß nicht. Nicht mal bei diesem herrlichen Sonnenuntergang glänzt mein Haar wie Gold«, lachte Marlene, indem sie sich die dunklen Haare, mit denen der Wind spielte, zurückstrich.
    »Wir werden uns um die Ehre duellieren, Ilse. Heute abend beim Zubettgehen wird geboxt.«
    Sie traten hinaus auf den »Lueg ins Land« und standen und schauten in stummer Andacht. Brennendrot flammten die Ziegeldächer der zu ihren Füßen ruhenden Stadt. Das Giebelgewirr war von der tief im Westen stehenden Sonne wie in Gold getaucht. Der Neckar wand sich wie ein silbernes Band um die Stadt. Hellgrüne Wiesen dehnten sich in märchenhafter Pracht bis an die violetten Höhenzüge der Alb.
    »Ist das schön, ist das schön!« Annemarie war die erste, die Worte für ihre Begeisterung fand.
    »Gelt, am Neckar lascht sich's lebe?« Die Studenten hatten die Bücher in der Universitätsbibliothek, welche im Schloß untergebracht war, schleunigst zugeschlagen, um sich die drei hübschen Mädel, die sie bisher in Tübingen noch nicht gesehen hatten, etwas näher anzuschauen. Mit der den Süddeutschen eigenen Unbefangenheit mischten sie sich in ihr Gespräch.
    »Herrlich ist es!« bestätigte Nesthäkchen mit der gleichen Zutraulichkeit.
    Marlene stieß Annemarie heimlich an. Wozu antwortete die bloß?
    »Sie sind halt noch nicht lang dahier?« begann einer von ihnen wieder.
    »Erst seit gestern.«
    »Hoffentlich nit bloß auf der Durchreis', sondern für längere Zeit.«
    »Ja, für ein ganzes Jahr. Wir wollen hier studieren.« Nesthäkchen war noch nie in seinem Leben schüchtern gewesen, und

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