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Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Titel: Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Publikum den Refrain zu wiederholen hatte.
    Die Hauskapelle saß am Klavier, und das reizend aussehende Paar begann gravitätisch seine Schritte und Knickse auf dem großen Rasenrondell vor dem rieselnden Pilzbrünnli.
    Annelise Bergholz sah beim Tanzen und Singen wie die verkörperte Anmut aus.
    Begeistert fielen die Studentinnen und Studenten sämtlich in den in schwäbischer Mundart gehaltenen Refrain ein:
    »Gar schön ischt die Rose, i liab sie halt sehr, Doch 's Ma'dle, das ros'ge, das liab i halt noch mehr.«
    Neumann begann wieder Karpfenaugen zu machen, und der Viehdoktor mit seiner Bierstimme brüllte laut mit. Beim zweiten Versrefrain ordneten sich die Paare; überall auf dem kleinsten, engsten Rasen tanzte man die Menuettschritte mit.
    Annemarie tanzte sogar mit zwei Herren. Weder Neumann noch Krabbe mochten zurückstehen.
    Und da man nun gerade beim Tanzen war, wurde auch nach Beendigung der kleinen Tanzdarbietung, die den beiden Beifall eintrug, weitergetanzt. Im Gartensaal, auf dem Rasen, drunten am Neckar. Mit jener ungezwungenen Fröhlichkeit, wie sie beim Rosenfest im Bergholzschen Garten stadtbekannt war.
    Rudolf Hartenstein wandte sich, nachdem er seinem schönen Kusinchen die letzte Verbeugung gemacht hatte, sofort suchend nach Annemarie. Der nächste Tanz gehörte ihr. Er mußte sein Vergehen gleich gutmachen.
    Aber merkwürdig - an die blonde Schöne war nicht heranzukommen. Bald wirbelte sie mit diesem davon, bald mit jenem. Immer gerade in dem Augenblick, in dem Rudolf sich vor ihr verneigen wollte. Und dabei sah die Annemarie so lustig und keck aus, als hätte sie ihre helle Freude daran, ihn abblitzen zu lassen.
    Die Sonne neigte sich, und doch war es noch angenehm warm. Der Festredner, ein älteres Semester, ließ die Fanfare erklingen. Er verkündete, daß man jetzt den Tanz unterbrechen und zur Abkühlung eine kleine Neckarfahrt machen wolle.
    Boote lägen bereit.
    Die Pärchen fanden sich. Neumann und Krabbe hatten sich neben Nesthäkchen postiert.
    »Kommt, wir fahre alle drei z'samme«, sagte Neumann schließlich, als er einsah, daß keiner dem anderen weichen würde.
    Da verneigte sich ein kaffeebrauner Leibrock vor Annemarie.
    »Darf ich um die Ehre bitten, gnädiges Fräulein?«
    Annemarie durchzuckte es. Jetzt den Arm von Neumann und Krabbe nehmen und an ihm vorüberschreiten. Dann hatte sie ihre Revanche. Sie hob das Auge mit spöttischem Blick. Da schauten Nesthäkchen so bittende graue Augen an, daß der Spott plötzlich in den blauen Mädchenaugen erlosch. Ihr Blick wurde weich, und wie verwandelt, tat sie gerade das Gegenteil von dem, was sie soeben noch beabsichtigt hatte. Sie, die ungern den Arm eines Kavaliers annahm, legte jetzt von selbst ihren in den des jungen Arztes und ließ sich von ihm zur Bootsstelle hinabführen. Kein Gedanke an die zurückgebliebenen Freunde, die ihr empört folgten.
    Schifflein auf Schifflein, rosenumkränzt, singende, lachende, sich übermütig bespritzende und kreischende Jugend darin. Mit ein paar kräftigen Ruderschlägen bugsierte Rudolf Hartenstein sein Boot aus dem Gewühl heraus und bog in einen Seitenarm des Neckars ein.
    Still wurde es um die zwei. Keiner sprach. Annemarie war es zumute, als ob Rudolf Hartenstein geradewegs mit ihr in die goldene Sonnenflut fahre.
    Da zog er die Ruder ein und ließ den Nachen von der Strömung langsam weitertreiben. Seine Hand griff nach der schmalen Madchenhand, die lässig auf dem Bootsrande ruhte. Er neigte sich und drückte die Lippen darauf.
    »Ich danke Ihnen, daß Sie mit mir gefahren sind, Annemarie«, sagte er warm.
    Kein Wort der Erwiderung fand das sonst so kecke Nesthäkchen. Stumm blickte es auf die Hand, die heute zum ersten Mal im Leben geküßt worden war.

Im Dreimäderlhaus
     
    Man sprach in Tübingen noch lange von dem Rosenfest. Besonders im Dreimäderlhaus mußte alles haarklein berichtet werden. Annemarie tat es nur zu gern.
    Wie man bei der märchenhaften Lampionbeleuchtung an langen Gartentafeln bei der Erdbeerbowle gesessen und Studenten- und Volkslieder gesungen hatte. Wie dann umfangreiche Biertonnen unter lautem Hurra herangerollt wurden. Getanzt hatte man, Bierjungen getrunken und Semester gerieben. Auch den Damen waren Kneipnamen beigelegt worden. Sicher war der Viehdoktor daran schuld, daß man sie mit einem Mal allgemein »Nesthäkchen« rief. Bloß um sie zu ärgern, weil Annemarie die Kahnfahrt mit Dr. Hartenstein der Gesellschaft Krabbes und Neumanns vorgezogen

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