Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken

Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken

Titel: Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
verständnislosen Großen. »Was, die Feuerwehr war auch hier?« Wieder gab es einen Jammerausbruch. »Immer, wenn was Schönes bei uns los ist, bin ich nicht da! Ich geh' überhaupt nimmer in die olle Schule.«
    »Wie unüberlegt, Herzchen. Ist denn das was Schönes, wenn unsere hübschen Zimmer, unsere Kleider und Wäsche und die Spielsachen alle verbrannt sind?«
    »Puppe Gerda auch?« Vronli begann den verrußten Puppenwagen mit der Herzensangst einer Mutter zu untersuchen. »Mutti-i-i!« Gellend klang der Entsetzensschrei. Da lag ein verräucherter Lederbalg und schwarz gewordene Flachshaare und ein Paar schreckliche Augen - das war alles, was von ihrem Kinde noch übriggeblieben war.
    Das hübsche, rosige Biskuitgesicht war in tausend Splitterchen geborsten.
    »Mutti, ich graule mich so!« Vronli verbarg den Kopf an Muttis Kleid, nur um die Augen nicht mehr zu sehen.
    Annemarie nahm Vronli an die Hand. »Kommt, wir gehen hinüber zu unserm Nachbarn, dem Herrn Pfefferkorn. Bei dem wohnen wir jetzt, bis unser Häuschen wieder menschlich ist.« Sie wollte das erregte Kind auf andere Gedanken bringen. Dies gelang ihr auch sofort.
    »Zu wem gehen wir?« fragte Vronli gespannt.
    »Olle Onte Bubumann«, übernahm Klein-Ursel die Erklärung.
    »Ist das wahr, Mutterli?«
    »Ja, freilich, der alte Herr war so lieb, uns ein Obdach anzubieten.« »Ach, Muttichen, da graule ich mich ja noch viel doller.« Vronli überlegte allen Ernstes, was vorzuziehen sei, die furchtbaren Augen im Puppenwagen oder der alte Mann da drüben, vor dem sie alle drei Angst hatten.
    Als der Regen nachgelassen hatte, mußte Herr Pfefferkorn seine bequemen Hausschuhe mit Stiefeln und den Schlafrock mit seinem dunklen Rock vertauschen. Er setzte einen Hut von undefinierbarer Farbe auf. Hansi hatte darauf bestanden, daß seine »Ssotoladenziretten« gekauft würden. Er selbst konnte leider nicht mitgehen, was ein wütendes, empörtes Geheul auslöste. Aber sogar Herr Pfefferkorn, der keinen Blick für Äußerlichkeiten hatte und für Kleiderkram nun schon ganz und gar nicht, fand, daß er den jungen Mann in diesem Zustand nicht mit auf die Straße nehmen konnte. Hansi war nämlich nur mit Strümpfchen, Nachthöschen und einem braunen Samtjackett vom Vater bekleidet, in das dieser den Kleinen bei dem eiligen Aufbruch noch geschwind gewickelt hatte.
    Herr Pfefferkorn versprach, alsbald zurückzukommen, und legte seinem kleinen Kameraden mehrere naturwissenschaftliche Bücher, die Abbildungen hatten, auf den Tisch zur Unterhaltung.
    Hansi war in einer Minute mit den »Bilderbüchern« des Onkels Bubumann fertig. Er klappte sie zu und sagte: »Dummes Zeuß!« Dann aber, nachdem er einige Dutzend Male auf dem alten Ledersofa hin und her gehopst war, bis dieses zu ächzen begann, fand er es für geraten, sich doch wieder eingehender mit dem dummen Zeug zu beschäftigen. Den Federhalter verkehrt in die Tinte getaucht, begann er die Pflanzenabbildungen in den guten Werken auszutuschen. Unbekümmert darum, daß schwarze Tintenseen gähnten, schlug er die beschmierten Seiten um. So - die drei Bäumchen hier sahen jetzt aus wie die Tintenbuben. Der kleine Maler war ungeheuer stolz auf sein Werk. Nun mußte er auch noch das Feuer malen - das hatte doch großen Eindruck auf ihn gemacht. Da war ja zum Glück auch rote Tinte. Die Flammen züngelten nur so aus den Büchern des Herrn Pfefferkorn heraus. Auch auf die grüne Tuchplatte des Schreibtisches griffen sie über, Vaters Samtjackett bekam auch was ab. Ja, sogar des Künstlers eifriges Gesichtchen. Das sah aus, als ob er im Kriege gewesen wäre. Hansi hatte keine Langeweile mehr. Als er die Schritte des heimkehrenden Besitzers vor der Tür hörte, lief er ihm strahlend entgegen: »So ßön despielt ... so ßönes Billerbuch danz erlein demacht.«
    »Ach du meine Güte!« sagte Herr Pfefferkorn und stand starr. Seine Bücher waren seine einzigen Freunde in all den langen Jahren gewesen. Sie hatten ihn dafür entschädigen müssen, daß er nicht seiner Neigung folgen und Naturwissenschaften studieren konnte, sondern Bankbeamter werden mußte. Seit seiner Pensionierung hatte er ganz und gar mit ihnen gelebt. Es war ja unvorsichtig von ihm gewesen, seine Heiligtümer Kinderhänden anzuvertrauen; aber auf solchen Vandalismus war er nicht vorbereitet gewesen. Hatten die Freuden, die er als Junggeselle entbehrte, nicht am Ende doch starke Schattenseiten?
    Da kehrte Annemarie mit ihren beiden kleinen Mädeln zurück,

Weitere Kostenlose Bücher