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Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken

Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken

Titel: Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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hatte seinen Humor wiedergefunden.
    »Gnadige Frau, ich bitte herzlich, betrachten Sie meine Wohnung als die Ihrige«, unterbrach Herr Pfefferkorn, der sich die ganze Zeit über ziemlich schweigsam verhalten hatte, die Überlegungen. »Ich kann gut mit einem Zimmer auskommen. Zwei Räume stehen Ihnen zur Verfügung. Sie können mir keine größere Freude machen, als wenn Sie auf mein Anerbieten eingehen.«
    »Verehrter Herr Pfefferkorn«, Doktor Hartenstein zögerte doch etwas, »es ist zu lieb von Ihnen, uns Fremden gastfrei Ihr Haus zu öffnen. Aber ich glaube, wir dürfen ein so großherziges Opfer nit von Ihnen annehmen.«
    »Es ist kein Opfer, Herr Doktor. Sie sind mir keine Fremden. Ich kenne ein jedes Ihrer Kleinen. Ich kenne Ihr liebes, junges Frauchen in ihrer frohen, energischen Art. Verzeihen Sie dem Beobachter aus der Vogelperspektive, daß er sein einsames Herz ein wenig an fremdem Glück erwärmt hat. Und gönnen Sie ihm für ein paar Tage die liebe Einquartierung.« Der alte Mann streckte dem jungen Arzt die Hand hin. Der schlug ein, ohne noch weiter zu überlegen. Auch Frau Annemarie reichte Herrn Pfefferkorn herzlich die gesunde Linke.
    »Ich hoffe nur, daß unsere Kleinen bei näherer Bekanntschaft Ihr stilles Leben nicht gar zu geräuschvoll gestalten werden«, meinte sie schalkhaft mit der Anmut, die den alten Herrn schon aus der Ferne entzückt hatte. »Wäre es nicht am Ende doch besser, die kleine Gesellschaft zu den Eltern übersiedeln zu lassen, daß nur mein Mann, Vronli und ich einzuquartieren sind?« gab sie zu bedenken.
    Aber davon wollte Herr Pfefferkorn nichts hören. »Bitte, gnädige Frau, richten Sie alles so ein, wie es am praktischsten ist. Wie Sie es anordnen, ist es recht. Betrachten Sie meine Häuslichkeit als die Ihrige.«
    »Ich hoff, daß wir Ihnen nit allzulang zur Last fallen werden, Herr Pfefferkorn. In einigen Tagen dürften die Zimmer des unteren Stockwerkes schon wieder gebrauchsfähig sein. Am wenigsten hat mein Sprechzimmer gelitten. Da kann ich am End' morgen schon wieder praktizieren.«
    »Kann man wenigstens drüben kochen, Rudi? Wie schaut's in unserer Küche aus?« erkundigte sich die junge Hausfrau.
    »Halt wie Sodom und Gomorra. Die Aufräumungsarbeiten müssen überall erst einsetzen. Irgendwo fischte ich Flochens Wasserstiefel auf. Sie fahndete drüben wohl entsetzt nach unseren Leichen. Die Haushälterin des Herrn Pfefferkorn ist gewiß so liebenswürdig, uns ein Plätzchen an ihrem Herdfeuer zu gönnen, daß ihr Frauen dort das Mahl richten könnt.«
    »Aber freilich ... gewiß, gewiß!« bestätigte Herr Pfefferkorn, wenn auch nicht ganz so überzeugt. Denn die Liebenswürdigkeit von Frau Lübke war eine Eigenschaft, die er in den zwanzig Jahren, in denen diese ihm die Wirtschaft führte, noch nicht hatte entdecken können. Er hielt es für klüger, ihr die Eröffnung über die bevorstehende Einquartierung in Gegenwart der Hartensteinschen Familie zu machen, und rechnete mit ihrer Höflichkeit, es ohne Gebrumm hinzunehmen. Aber da kannte er Frau Lübke doch noch nicht. Ihr Gesicht wurde lang und länger.
    »Was ... jleich die janze Familie? Mit Mächen, Kleinkinderjeschrei und Piepmatz? Na, Sie sind scheene dumm, Herr Pfefferkorn, sich auf Ihre olle Tage noch mit so was zu befassen. Aber det sag' ich Ihn' jleich, Arbeit darf ich keine davon nich haben. Die Unjemietlichkeit will ich allenfalls mit in'nKauf nehmen. Jott, man is ja auch kein Unmensch nich.«
    »Dann tun Sie doch nicht so, als ob Sie einer wären, Frau Lübke«, meinte Herr Pfefferkorn. Aber er hatte um des lieben Friedens willen zwanzig Jahre lang zu Frau Lübkes nicht allzu böse gemeintem Gebrumm geschwiegen. So sagte er auch heute nichts weiter.
    Man einigte sich darauf, daß Herr Pfefferkorn in sein Arbeitszimmer übersiedeln sollte. Das große Ledersofa war zum Ausziehen.
    Die Unterbringung der Arztfamilie machte schon mehr Kopfzerbrechen. Ein Bett war da. Zwei eiserne Feldbettstellen standen drüben auf dem Boden, die würden durch das Feuer wohl nicht gelitten haben. Hoffentlich waren auch die Reservebetten in Ordnung, die noch aus der Zeit stammten, wo die Großmama das Haus voller Kinder gehabt hatte. Vronli brachte man auf der Chaiselongue im Wohnzimmer unter, und die beiden Kleinen konnte man in Herrn Pfefferkorns Bett legen, eins am Kopf- und eins am Fußende. Ja, so würde es gehen.
    Nach dem aufregenden Morgen kam alles wieder ins Gleichmaß durch die tägliche Arbeit. Rudi

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