Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
Lübke, daß sie selbst gewünscht hatte, zusammen zu kochen, damit nich so ville Toppe rumstehen, und sie die freundlich angebotene Hilfe der jungen Frau höchst energisch abgelehnt hatte.
»Rühren Sie das Mehl doch durch ein Sieb, Frau Lübke«, riet Annemarie, deren Kochkenntnisse in den sieben Jahren ihrer Ehe erstaunlich zugenommen hatten. »So schlau bin ich selber. Jibt wieder 'ifituck mehr zum Abwaschen. Is noch jar nich jenug Arbeit.«
»Nun, Flora kann doch abwaschen, Frau Lübke.« »Jott, die würde mir scheen alles zerteppern.«
Sanftmut war durchaus nicht Annemaries Charakterstärke. Sie mußte sehr an sich halten, um diesem Knurren und Brummen des alten Wirtschaftsteufels gegenüber ruhig zu bleiben. Nein, wirklich, die Sache war hier unhaltbar. Wenn Herr Pfefferkorn auch lieb und gastfrei zu ihnen war, er bedauerte gewiß auch schon heimlich seine Menschenfreundlichkeit.
Damit tat Frau Annemarie ihrem Gastgeber entschieden Unrecht. Nein, Herr Pfefferkorn bedauerte ganz und gar nicht. Obwohl heute ein jedes Stück, das zwanzig Jahre auf demselben Platz gelegen hatte, plötzlich verschwunden war. »Herrgott, wo ist denn mein Ding?«
Herr Pfefferkorn bezeichnete alles mit diesem Allgemeinbegriff. Er kramte in sämtlichen Taschen nach seiner kurzstummeligen Pfeife, die er eben noch auf dem Tisch gesehen hatte.
»Frau Lübke ... Frau Lübke ... mein Ding ist weg ... wo haben Sie es hingelegt?« rief er aufgebracht. Ohne seine Pfeife war Herr Pfefferkorn wie ein anderer Mensch ohne Zähne.
»Was for'rDing?«
»Herrgott, meine Pfeife.«
»Na, wo se immer liegt. Aber heute is ja allens aufn Kopp jestellt bei uns. Wer weiß, wo die hinjekommen is.«
Jemand wußte es. Ein kleines, winziges Persönchen, das noch nicht bis zum Tisch reichte. »Juch mal ... juch mal, oller Onte Bubumann!« erklang ein süßes Stimmchen. Ursels größte Freude war nämlich, etwas wegzuschleppen und zu verstecken, daß sich die großen Leute danach blind suchen mußten. Rudolf behauptete sogar, seine Tochter hätte eine wahre Elsternatur. »Juch mal ... juch mal ...« Sie klatschte in die Händchen und war selig, während der Suchende weniger vergnügt war. Denn meistens waren es Sachen, die man im Augenblick gerade höchst notwendig gebrauchte. Der Onkel Bubumann sollte heute öfters Klein-Ursels neckendes »Juch mal!« vernehmen. Bald war es die Pfeife, bald der Schlüssel; jetzt das Taschentuch und einige Minuten später gar seine Brille, ohne die er ganz aufgeworfen war und nicht mal suchen konnte.
Das gemeinsame Mittagbrot entschädigte den alten Herrn für alle ausgestandenen Strapazen. Es hatte ihm lange nicht mehr so gut gemundet wie heute. Hansi und Ursel, die nach Tisch schlafen gelegt wurden, taten alles andere, nur nicht das von ihnen Gewünschte. Sie verursachten einen solchen Mordsspektakel, daß auch Herr Pfefferkorn kein Auge zutun konnte.
Annemarie war es entsetzlich unangenehm, daß der alte Herr durch sie aus seiner Ordnung kam.
Am Nachmittag erschien plötzlich ihre Mutter, um sich persönlich davon zu überzeugen, daß auch noch alle am Leben waren; eher hatte sie keine Ruhe gefunden. Na, und ihre Sorge war ja auch berechtigt. Wenn ihre Lotte ihr auch ganz mobil entgegenkam, sie trug doch den Arm in der Binde und hatte Schmerzen, wie sie gestehen mußte. Natürlich nahm sie die ganze Gesellschaft gleich mit sich nach Charlottenburg. Es war ja wohl das nächstliegende, daß ein Kind ins Elternhaus zurückkam, wenn auch über eine Stunde Wegs dazwischen lag. Und Vronli? Nun, die i und n würde sie auch in Charlottenburg auf die Tafel malen können. Was schadete denn das, wenn sie die ersten Tage die Schule versäumte! Annemarie war doch früher nicht so gewissenhaft gewesen in bezug auf sich selbst. Und ihr und dem Vater würde sie die größte Freude machen, die allergrößte - Frau Brauns Augen leuchteten förmlich - wenn sie ihre Lotte und die Kinderchen mal ganz bei sich haben konnte. Hanne hätte schon alles vorbereitet. So käme doch wenigstens etwas Gutes bei dieser unseligen Brandgeschichte heraus.
Auch Annemaries Augen hatten aufgestrahlt bei der Vorstellung, für einige Tage unter Mutters Flügel zurückzukriechen, sich wieder verhätscheln und verwöhnen zu lassen. Aber gleich darauf schüttelte sie den Kopf.
»Du vergißt, Muttichen, daß ich nebenbei noch einen Mann habe. Meinst du, ich werde Rudi treulos verlassen?«
»Rudi selbst ist dafür, daß ihr zu uns kommt, Lotte. Wir haben
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