Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
den Arm voll Kindersachen, die sie zum Glück unten im Reserveschrank gefunden hatte. »Ei, Hansi, warst du auch artig und hast dem Onkel nicht zuviel Mühe gemacht?« erkundigte sie sich freundlich.
»Bewahre, gnädige Frau, i bewahre«, versicherte Herr Pfefferkorn. Aber Mutteraugen sehen scharf.
»Na ... na ... der Hansi sieht ja aus wie ein geschundener Raubritter. Und dort drüben der Schreibtisch ... ja, Hansi, hast du etwa die schönen Bücher dort verdorben?« »Ssöne Billerbücher für Onkel Bubumann demalt. Haste noch mehr Ziretten?« Er hatte bereits zwei Pakete ergattert.
»Aber Hansi, du benimmst dich ja bodenlos! Herr Pfefferkorn ...« Hier erfolgte ein lautes Kinderlachen. Es kam von Vronli, der trotz ihrer Angst der Name gar so komisch erschien. »Ja, Herr Pfefferkorn, ich bitte tausendmal um Entschuldigung für meinen zerstörungswütigen Sohn. Es ist mir recht peinlich ...«
»Liebe, gnädige Frau, die Stunde Freude, die der Junge mir gemacht hat, ist die Bücher reichlich wert. Ei, sieh, da ist ja noch jemand. Wie heißt du denn, mein Kind?« Er streichelte ihre Wange. »Vronli.«
»Ein kleines Schulmädchen. Das muß doch auch eine Schultüte erhalten.« Aus der andern tiefen Rocktasche kam eine bunte Tüte zum Vorschein.
Vronli, die bisher vor Furcht kaum aufzusehen gewagt hatte, vollführte plötzlich einen Luftsprung.
»Wir haben die Schultüte über dem Feuer vergessen. Wie sollen wir Ihnen nur für all Ihre Freundlichkeit danken!« wandte sich Annemarie an den alten Herrn. Ihre jüngste Tochter übernahm das für sie. Klein-Ursel begann die Beine des alten Herrn mit ihren winzigen Fäustchen zu bombardieren aus Empörung darüber, daß sie keine Tüte und keine Zigaretten bekam.
»Was krabbelt denn hier noch herum? Ach, du meine Güte, das kleine Blondköpfchen hätten wir ja beinahe vergessen.« Er hob das leichte Dingelchen in die Höhe. »Usche ... Lein-Usche auch Lade!« Ursel begann jetzt sogar, das graubärtige Gesicht mit Backpfeifen zu bombardieren.
»Ursel ist ganz unartig und bekommt keine Schokolade, zur Strafe«, sagte Annemarie streng.
»So atig ... eia, oller Onte Bubumann!« Plötzlich streichelte die kleine Evastochter das graue, stoppelige Gesicht.
»Aua ... Büschte ... aua ... so detatzt!« Nein, das kleine Ding war zu putzig.
Der noch soeben verprügelte Onkel zog einen Schokoladenhahn aus der Tasche, aus der er schon so viele Herrlichkeiten zutage gefördert hatte.
»Titteritti.« Da hatte Ursel ihm bereits den Kopf abgebissen.
»So, nun bedankt euch, Kinder, und dann wollen wir ins Nebenzimmer gehen und dem Onkel mal ein Stündchen Ruhe gönnen. Sonst bekommt er uns gleich am ersten Tage satt.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht, gnädige Frau«, protestierte Herr Pfefferkorn.
Aber Frau Annemarie mußte auch ihre kleine Gesellschaft erst mal wieder in ihre eigenen Kleidungsstücke befördern und sich in dem ihnen freundlichst überlassenen Zimmer ein wenig häuslich einrichten. So blieb der alte Mann wieder allein.
Aus der Küche ertönte lautes Schimpfen. Vronli lief mit Kinderneugier hinaus, nachzuschauen, was es gäbe.
»So ein Frauenzimmer, so ein verbohrtes ... janz klüterig hat sie mir de Mehlschwitze jerührt, und de Hälfte Kompott fehlt auch aus de Schissel. Nee, bloß keenen fremden Menschen nich in de Kiche. Lieber rackere ich mich alleene ab«, erging sich Frau Lübke draußen empört.
»Flochen weint, und eine olle Frau, die wie die Hexe aus Hänsel und Gretel aussieht, schimpft doll«, berichtete das kleine Mädchen, sich ängstlich an die Mutter schmiegend.
Diese ging hinaus, um Frau Lübkes Zorn zu besänftigen. Daß Flora naschte, war bereits eine historische Tatsache. Und daß sie vom Kochen wenig verstand, auch das wußte Frau Annemarie. Sie hatte das Mädchen nur behalten, weil sie keine so hohen Gehaltsansprüche machte wie die meisten heutzutage.
Frau Lübke war wirklich sehr erbost. Selbst Annemaries freundlichem Zureden gelang es nicht, die Wolken auf ihrer Stirn zu zerstreuen. Frau Lübkes Herr war, was Essen anbelangte, sehr verwöhnt. Seit über zwanzig Jahren hatte er nur das Beste auf den Tisch gekriegt. Und da kamen nun plötzlich fremde Leute, die einen in der Welt »jar nichts« angingen, machten nichts als Unruhe und Arbeit und verdarben einem das Essen. Hätt' doch jeder für sich kochen sollen. Dann hätte das grünschnäblige Ding ja ihre eigene Mehlschwitze verklütern können. In ihrem Ärger vergaß Frau
Weitere Kostenlose Bücher