Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
Braunsche Balkonwand zu klopfen. Um so öfter aber klopfte jetzt Annemarie Hartenstein an die Tür Margots, saß neben ihr und schaute bewundernd zu, wie ein kleines Kunstwerk nach dem andern aus ihren schlanken Fingern hervorging. »Margot, was bist du geschickt! Wenn ich nur ein Bruchteilchen davon hätte, wie glücklich wäre ich!« seufzte sie eines Tages.
»Ich denke, das bist du auch ohnedies, Annemarie. Als Mutter von solchen süßen Kindern, von deinem Mann auf Händen getragen, in einem schönen Heim ...« »Ja, ja, du hast ja ganz recht, Margot. Ich will ja auch nicht undankbar sein. Aber du glaubst nicht, wie schwer es für eine Frau ist, um jede Mark zu ihrem Manne kommen zu müssen. Besonders wenn man sieht, wie schwer er es verdient und wie leicht es sich ausgibt. Siehst du, Margot, wir Frauen von heute haben nun mal eine gewisse Selbständigkeit und den Wunsch nach Unabhängigkeit, den unsere Mütter und Großmütter nicht gekannt haben. Und wenn man seinen Mann liebhat ... ja, dann möchte man doch nicht ihm allein die Schwere des Lebensunterhaltes aufbuckeln, dann möchte man ihm die Last doch tragen helfen.« »Das tust du ganz gewiß, Annemie.«
»Sagt Rudi auch immer. Aber damit verdiene ich keinen Pfennig. Und das wäre doch jetzt gerade notwendig, wo es soviel wieder anzuschaffen gilt.«
»Nun, ich denke, die Betten gibt euch die Großmama, die noch genügend davon hat. Und versichert seid ihr doch auch gegen Brandschaden.« Margot entwarf, während sie sich unterhielt, mit flotter Hand ausdrucksvolle Muster auf Seiden- und Wollstoffe. »Damit ist es noch lange nicht getan. Die Kinder müssen neu eingekleidet werden ...«, überlegte Annemarie sorgenvoll.
»Das könntest du doch selbst übernehmen, Annemie«, mischte sich Frau Thielen, die strickend am andern Fenster saß, ins Gespräch. »Für solche kleinen Dinger läßt sich jedes Flickchen verwenden. Ich habe nie schneidern gelernt und habe stets für meine Kinder alles selbst gemacht.«
»Ja, Sie sind eben alle so geschickt. Aber ich bin ein Kamel. Nichts kann ich. Keine Spur von irgendeinem Talent, das ich verwerten könnte. Das einzige, was ich gelernt habe, die paar Semester Medizin und praktische Klinikarbeit, bringen kein Geld ein. »Ich gebe dir gern Anleitung, Annemie. Diese Kleinkindersachen sind ja eins, zwei, drei fabriziert. Und Margot hat allerliebste Modelle, da werden wir schon etwas Nettes zurechtkriegen.«
»Ach liebste Frau Thielen, wie gern nähme ich Ihren Vorschlag an und käme gleich heute abend zur Schneiderstunde hinüber. Ich habe ja genug freie Zeit. Sobald mein dämlicher Arm wieder heil ist, komme ich sofort zu Ihnen, liebe Frau Thielen.« »Wie wär'swenn du' einmal mit Stricken versuchtest? Ich werde dir gerne zeigen, wie man Höschen, Rockchen und Pullover strickt. Dann sparst du viel Geld.« Margot brachte ihren Vorschlag etwas schüchtern hervor.
»Mit Freuden, Margot. Bloß ich fürchte, du verlierst die Geduld mit mir.« »Das werden wir ja sehen. Zum Beispiel solche Pullover zu stricken oder zu häkeln, wie meine Mutter sie da arbeitet, ist höchst einfach. Ich denke, wir versuchen es damit zuerst. Du bist ja öfters hier bei deinen Eltern, dann hast du' ganz bequem.« »Margot, du bist ein Engel!« Annemarie umarmte die Freundin mit altem Ungestüm. »Ich will jetzt noch zu Vera, die beklagt sich bitter, daß ich sie vernachlässige. Wird es mir nicht zu spät, hole ich vielleicht noch die beiden siamesischen Zwillinge von ihrer Schule ab. Ich möchte doch gar zu gern, solange ich noch hier in Charlottenburg bin, alle Freundinnen wie in früheren Tagen zusammentrommeln. Meine Kinder habe ich heute ausgesetzt, zwei sind bei Ola, und Vronli ist mit meiner Mutter in der Stadt. Ich argwöhne, daß sie ihr heimlich einen Wintermantel kaufen will, weil sie mich durchaus nicht mithaben wollte. Und ich vagabundiere als Arbeitslose und halte die fleißigen Leute von ihrer Arbeit ab. Leb wohl, Margotchen, jetzt wirst du mich endgültig los. Auf Wiedersehen, Frau Thielen.« Fort war sie.
»Beneidenswert, diese Frische Annemaries und diese von Herzen kommende Fröhlichkeit. Als Kind habe ich mir schon gewünscht, nur etwas davon zu besitzen«,
sagte Margot nachdenklich. »Ich habe immer alles schwergenommen.«
»Und hast durch deine Pflichttreue und deinen Fleiß doch mehr erreicht als sie, mein Kind.«
»Mehr? Nun, das kommt auf die Auffassung an. Annemarie ist immer alles spielend zugeflogen, während
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