Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
eine Krankenschwester verwandelt. Die Kinder spielten so süß, daß Annemarie sich nur ungern davon losriß.
Zuerst ein Kragen. Von beiden Seiten trocken plätten, stand in der Anweisung. Höchst einfach. Wenigstens in der Theorie. In der Praxis weniger. Der gestärkte Kragen klebte, als sei er an dem Bügeleisen angeleimt. Mit aller Gewalt mußte Annemarie ihn losreißen. Ritsch - der ohnehin schon etwas mürbe Stoff war solchen Kraftanstrengungen nicht mehr gewachsen. Ein Riß klaffte inmitten der weißen Herrlichkeit. Mit entsetzten Augen starrte Annemarie auf ihr Werk. Das fing ja gut an. Aber sich gleich entmutigen lassen? Nein! Der zweite Kragen würde schon eher gelingen. Es fiel kein Meister vom Himmel. Ja, der zweite Kragen wurde. Das heißt, er wurde trocken. Sonst hatte er nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit einem steifen Herrenkragen. Eher glich er einem weißen, sich ringelnden Spulwurm. Ob Rudi den trug? Annemarie machte ein bedenkliches Gesicht. Sollte sie es nicht doch lieber an diesen beiden Meisterstücken genug sein lassen?
» Hänschen, Hänschen denk daran,
Was aus dir noch werden kann. «
Lächerlich, daß ihr der dumme Vers nicht aus dem Kopfe ging. Aber sie wollte es beweisen, daß sie mehr Ausdauer hatte. Nun gerade! Jetzt versuchte sie ihr Heil sogar an einem neuen Oberhemd.
Der Rücken ließ nichts zu wünschen übrig. Die Ärmel ein wenig gelblich, das Eisen war wohl zu heiß. Schadete nichts. Das deckte ja das Jackett. Nun kam das Schwerste: die Brust.
»Muttißen ... Muttißen ... was passiert ... was passiert so'n Sreck dekrist!« Hansi kam schreiend hereingestürzt.
»Um Himmels willen, wo brennt' sdenn schon wieder?« Annemarie ließ ihre Plätterei im Stich und jagte ins Kinderzimmer. Gott sei Dank, Ursel war unversehrt. »Es bennt dehaupt niß. Boß ... boß die Horche von Vaterle is taputt detommt. Wie isse denn taputt detommt?« erkundigte sich Hansi schon wieder mit sachlichem Interesse. »Das fragst du mich, du ungezogener Bengel. Du weißt doch, daß du nicht an Vaters Sachen herangehen darfst.« Innerlich war Annemarie eigentlich ganz froh, daß es nur das Stethoskop war, das Schiffbruch erlitten hatte.
»Na, wenn iß doch aber nu Ontel Dokter bin, denn muß iß doch auch eine Horche haben«, beschwerte sich der kleine Doktor. »Ach was, du bist ein ungezogener Bengel!«
Es zuckte weinerlich um die Mundwinkel des kleinen Pausbacks. Annemarie strich der kleinen Krankenschwester, die sich gerade bemühte, dem Miesekatzenpatienten ein Ohr abzureißen, über die Taschentuchhaube. »Klein-Ursel ist wenigstens artig.« »So atig«, beteuerte Klein-Ursel. Da war das Katzenohr ab.
Annemarie ging wieder an ihre unterbrochene Plätterei zurück. Nanu, was roch denn hier so versengt?
Gerechter Strohsack ... das heiße Eisen stand ja noch auf dem Oberhemd. Sie hatte es bei dem Alarmgeschrei ihres Sohnes stehengelassen, wo es gerade stand. Annemarie wagte bei all ihrer sonstigen Keckheit kaum, es in die Höhe zu nehmen. »Verflixt und zugeknöpft!« entfuhr es ihr. Eine braune Insel schwamm auf der weißen Brust - das neue Hemd war verdorben.
»Fer is deflixt, Muttißen?« erkundigte sich Hansi teilnehmend. Annemarie antwortete nicht. Schmerzversunken starrte sie auf den braunen Sengfleck.
»Wenn jnädje Frau jleich 'ibißken Chlor nehmen tut, denn jeht's am Ende 'raus!« Erst Floras Stimme belebte die versteinerte Annemarie wieder.
Ja, mit Chlor hatte sie schon öfters mal einen Obstfleck aus weißen Kinderschürzen getilgt. Freilich, vorsichtig mußte man dabei zu Werke gehn. Annemarie hatte es in ihrer siebenjährigen Haufrauenpraxis gelernt, daß man die fleckige Stelle nur mit einem in leichte Chlorlösung getauchtem Läppchen vorsichtig betupfte und dann sofort in kaltes Wasser legte. Nach dieser Vorschrift verfuhr sie mit aller Behutsamkeit. Wirklich, der Sengfleck wurde heller - immer heller - um dann plötzlich wieder schwarz wie die Nacht entgegenzugähnen. Ein Loch - ein wirkliches Loch! Es war furchtbar - aber wahr. Es ließ sich nichts dran ändern, so verzweifelt Annemarie auch das verdorbene Hemd nach allen Seiten drehte. Sie war in einer entsetzlichen Stimmung. Floras wissenschaftliche Analyse: »Das is jewiß man bloß davon jekommen, weil dis Hemd schon von's Plätten dünne verbrennt jewesen is«, verbesserte dieselbe nicht. Und als sie noch hinzusetzte: »Nee, auch jrade dis neue! Was wird man bloß Herr Dokter dazu sagen?« explodierte Annemarie:
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