Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
Empfang.
»So a brav's Mädle, so a liabs!« Der Viehdoktor klopfte ihr anerkennend die Wange. »Neschthäkche, hascht die auch nit vertauscht? Das ischt halt nimmer dein Mädle. So arg brav bischt dein Lebtag nit gewesene. Und der Herr Sohn? Wo steckt denn der halt?«
»Verfresse hat er sich, Viehdoktor, an Pfannkuche, weischt.« Der ganze Übermut ihres Studentenjahres brach sich bei Annemarie wieder Bahn. Sie konnte sich nicht helfen, sie mußte den schwäbischen Studienfreund mit seinem Dialekt wie einst in Tübingen wieder aufziehen. »Drin im Bett liegt er krank, der Hansi ...«
»Nee, isse schon wieder danz desund, dehaupt niß mehr trank. Hansi kann ßon wieder Fanntuchen essen und Bomboms auch.« Der kleine Hosenmatz stand mitten in der Tür und schielte mit den Schwestern um die Wette auf die Bonbontüten. »Der Hansi! Büble, willst du wohl wieder ins Bett!« Da saß er bereits auf Vaters Schulter. Rund und rosig, man sah ihm die ausgestandene Not gar nicht mehr an. » Der Hansi, der war kerngesund, Ein dicker Bub und kugelrund « , zitierte Frau Marianne scherzend. »Ich wünschte, mein Baby nähme so zu!« »Halt guet imstand sind'sKannscht stolz sein auf deine Füllen, Neschthäkche.« »Du, Onkel Vieh!« Krabbe fühlte sich plötzlich nachdrücklich gepufft. »Haschte dehaupt teine Bomboms für Hansi mitdebingt?« Der Kleine fand es nötig, sich wieder in Erinnerung zu bringen.
»Recht hascht, die Zuckerle vom Viehonkel. Ja, schau, Büble, wo sind denn die hing'raten? Die müsse mir halt g'stohle worde sein.« Der Viehdoktor suchte in allen Taschen.
»Verstohlen? Hansis Bomboms verstohlen? Alle verstohlen?« Der Kleine schien das Unglück gar nicht fassen zu können.
»Juch mal ... juch mal, Onte Vieh«, erschallte da ein freudiges Stimmchen.
»Die Elster ... die diebische Elster war halt an der Tasche. Und da sagen' snoch, Krabbe, meine Frau kann stolz auf unsere Küken sein. Ursele, wo hast denn die Bonbons hingetan? Sag' sdem Vaterli, gelt?«
»Da.« Klein-Ursel wies auf ihren Mund.
Wie der Wind war der Hansi trotz seiner Rundlichkeit von des Vaters Schulter und stürzte sich auf das nichtsahnende Schwesterchen.
»Dleich dibst die Bomboms her, du flixtes Ding! Muttißen, die olle Uschel hat mein seine Bomboms verstohlen, das sind meine seine! Dibst oder dibst niß!« Wie die Kampfhähne gingen die beiden Menschlein aufeinander los, zum höchsten Gaudium der Großen. Bald wälzten sie sich beide auf dem Fußboden.
»Wie Klaus und Annemie früher. Das Zimmer hier hat schon mehr solche Kämpfe mit angeschaut«, lachte Ilse Hermann.
»Aber Kinder, schämt ihr euch denn gar nicht ...« Die mütterliche Ermahnung verhallte fruchtlos.
Erst ein energischer Klaps Annemaries bewirkte, daß die kleinen Tigerkatzen voneinander abließen. In zwei getrennten Zimmern sperrte man sie ein, von woher noch immer Hansis Wehklagen über die »verstohlenen Bomboms« und Ursels schon wieder neckendes Stimmchen herüberklang: »Juch mal ... juch mal!« »Eine Rasselbande! Ihr lediges Volk wißt gar nicht, was solch eine arme Mutter alles auszustehen hat!« Ganz aufgeregt war Annemie.
Frau Braun, die inzwischen sämtliche schreienden Enkelchen beruhigt hatte, bat die Gäste, ins Wohnzimmer zu gehen, damit die Kinder wieder in ihr Reich einziehen könnten.
»Ihr Großen habt schuld, wenn die Kleinen schreien. Ihr versteht sie nicht richtig zu nehmen. Bei mir weint kein Kind«, sagte sie.
»Weil du ihnen allen Willen tust, Muz«, lachte auch Annemarie. »Aber nun wollen wir wirklich das Feld räumen und ins Wohnzimmer gehen.«
»Hänschen, Hänschen, denk daran, was aus dir noch werden kann!«
»Nu sind se wieda heidi, unsere Nesthäkchen, alle mitenander. Ick sag' Ihn' Kulicke, eene Ruhe is jetzt bei uns ins Haus wie ins Jrab. So'n paar kleene Blondköppe, wenn se ooch Arbeet machen, se bringen doch Leben in de Bude!« ließ Hanne beim Mülleimerheruntertragen ihrem Herzen bei ihrem Vertrauten, dem Hausmeister Kulicke, freien Lauf.
Ja, nun waren sie wieder draußen in Lichterfelde. Es war doch November geworden, bis die Räume wieder instand gesetzt waren.
Jetzt war aber auch alles wieder sauber und wohnlich. In dem frisch tapezierten Schlafzimmer standen Großmamas Mahagonimöbel. Das Kinderzimmer leuchtete in seinem neuen, weißen Anstrich. Und wenn auch Puppe Gerda nicht wieder zum Leben zu erwecken war, wozu gab es denn einen Weihnachtsmann? Der würde schon für Ersatz sorgen.
Annemarie ging wie
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