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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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singen? Oder auch etwas aus dem 'Figaro'?«
    »Hahaha« - das Lachen der alten Künstlerin klang ähnlich wie das Bellen ihres Hündchens. »Hahaha- Sie fangen gleich damit an, womit die anderen aufhören. Zuerst muß ich mal sehen, ob Sie überhaupt Stimme und musikalisches Treffvermögen haben. Singen Sie mal die Töne auf do nach, die ich anschlage. Ganz dreist, nur ohne Angst.« »Ich habe keine Angst.« Ursel wies diesen Gedanken entrüstet von sich. »Do - do - do - do - do« begann sie die Töne nachzusingen. Das Wollknäuel stimmte piepsend mit ein. »Still, Fidelio - kusch dich - sonst spazierst du 'naus«, unterbrach Frau Gerstinger das Dododo.
    »Na ja, ein ganz nettes Stimmchen - muß natürlich erst werden - noch völlig unentwickelt. Ist ja bei Ihrem zarten Alter auch noch nicht anders zu verlangen, Herzchen. Jedenfalls sind Sie nicht unmusikalisch.«
    Ursel ballte die Hände. Ein ganz nettes Stimmchen - nicht unmusikalisch - gab es eine größere Beleidigung?
    »Bei dem dummen Dododo kann man ja gar nicht mit der Stimme heraus«, sagte sie mit schwer unterdrückter Empörung. »Wenn ich etwas Richtiges singen dürfte, würden Sie schon sehen, daß ich kein Stimmchen habe.«
    »Hahaha« - die ehemalige Künstlerin und Fidelio lachten um die Wette. »Gekränkte Künstlereitelkeit - kennen wir. Die gewöhnen Sie sich nur möglichst frühzeitig ab, Herzchen. Dabei kommt man nicht weiter, wenn man denkt, man kann schon alles.« »Das denke ich gar nicht, ich will ja lernen. Darum bin ich ja zu Ihnen gekommen.« Ursels Stimme klang, so sehr sie auch dagegen ankämpfte, tränenschwer.
    »Aber bisher ist noch jeder von meiner Stimme begeistert gewesen. Erst gestern -« »Hahaha -« dieses piepsende Lachen konnte Ursel rasend machen. »Sehen Sie, das ist der Verderb - die guten Onkel und Tanten mit ihrem verfrühten Beifall und ihren Lobhudeleien. Vorläufig singen Sie überhaupt nicht mehr vor. Verstanden, Herzchen? So, und nun wollen wir mal weiter an die Arbeit gehen. Die Noten kennen Sie doch?« »Na-«, sagte Ursel nur, nicht gerade höflich. Nächstens fragte man sie noch, ob sie lesen und schreiben könne.
    »Also schön - hier singen Sie diese Töne.« Frau Gerstinger drückte der erbosten Schülerin ein Notenblatt in die Hand.
    »Do - re - mi - fa - sol - la - si - do -« sang Ursel die Tonleiter davon ab.
    »Nun rückwärts -«
    »Do-si-la-sol-«
    »Fidelio, du spazierst 'naus!« Das Wollknäuel hatte sich bereits wieder an dem Gesang beteiligt. »Es ist ein hochmusikalisches Tier, mein Fidelio. Sobald Sie nur eine Nuance unrein singen, wird sein musikalisches Empfinden verletzt.« »Fa - mi - re - do -« sang Ursel zur Zufriedenheit Fidelios zu Ende.
    Auch Frau Gerstinger sprach ihre Zufriedenheit aus. »Ganz nett, für den Anfang. Wird schon werden. Aber bloß nicht die Schultern beim Singen heben. Die Tonbildung und die Zungenlage will natürlich erst studiert sein. Aus dem Zwerchfell muß der Ton angesetzt werden - hier ist das Zwerchfell. Da« - sie drückte Ursel irgendwo in die Magengegend, wie man einer Schreipuppe auf den Bauch drückt.
    »Aus den Flanken müssen Sie atmen - Flankenatmung, das ist die Hauptsache. Und die Zunge niemals gewölbt, sonst kann der Ton nicht voll heraus. Sehen Sie, so muß die Zunge liegen - do-re-mi-fa - haben Sie zugeschaut, ja? So, gegen die Unterzähne muß die Zunge liegen. Nun nehmen Sie mal diesen Handspiegel hier. Schauen Sie 'nein, wie Sie Ihre Zunge dabei wölben. Wie ein Igel, stimmt's?«
    Ursel sah in dem Spiegel ein gerötetes Gesicht, das sich vergebens abmühte, die Zunge in der vorgeschriebenen Lage gegen die Unterzähne zu legen.
    »Das üben Sie mal recht schön bis auf das nächste Mal mit einem Handspiegel. Und die Tonleiter gleichfalls, aber immer darauf achten, daß der Ton aus den Flanken geholt wird. Legen Sie sich dabei auf das Sofa! Da fühlen Sie's am besten, ob sich die Flanken dehnen. So, nun dürfen Sie ein bissel verschnaufen. Setzen Sie sich zu mir und erzählen Sie mir ein bissel was.« Frau Gerstinger zog Ursel auf einen knackenden Sessel nieder, holte aus der Tasche des lila Samtschlafrocks ein Döschen und entnahm ihm einen Lakritzenbonbon, den sie zu lutschen begann.
    »Ich möchte so schrecklich gern zur Oper gehen«, fiel Ursel sogleich mit der Tür ins Haus, damit Frau Gerstinger auch wußte, daß es sich bei ihr um ernsten Berufsgesang und nicht nur um die übliche Gesangsstunde der höheren Tochter handle.
    Wieder das

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