Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
nicht weiter zu hinterfragen.«
»Hat das
nicht bis Montag Zeit?«
»Nein, wir
dürfen die Sache nicht so lange anstehen lassen. Außerdem ist es besser, wenn Marksteiner
von dem ganzen Jux nichts erfährt. Und schließlich wollen wir Toni helfen. Also
los!«
»Na, ich
bin gespannt, ob das gut geht«, gab Glomser achselzuckend nach. Leopold nahm ihm
und den beiden Lehrern noch schnell ihr Geld ab, ehe sie zur Türe hinausmarschierten.
Er konnte nicht verhehlen, dass auch er sehr gespannt war, ob die Sache gut gehen
würde.
*
»Im zweiten Stock brennt noch Licht.«
Glomser deutete nach oben. »Soweit ich mich erinnere, sind das die Fenster von Walters.
Wir scheinen Glück zu haben.«
»Na also«,
seufzte Korber erleichtert. »Und merk dir: Jetzt steht er unter Zugzwang. Er muss uns erklären, warum er nicht bei der Probe erschienen ist.
Du hast ihm wirklich nichts verraten?«
»Nein, wo
denkst du hin? Ich weiß nicht, was ihr alle habt. Ich bin schon ganz neugierig,
was er von mir wollte.«
Glomser
läutete an der Gegensprechanlage. Er hörte etwas Unverständliches und nuschelte
etwas ebenso Unverständliches hinein. Jedenfalls wurde die Tür geöffnet. Schweren
Schrittes gingen alle drei in den zweiten Stock hinauf.
Oben am
Treppenabsatz erwartete sie schon ein Herr im Schlafrock: ein großer, graumelierter
Mann mit Vollbart. Glomser und Korber sahen einander irritiert an. Ilona Patzak
trat mutig einen Schritt nach vorn und sagte entschlossen: »Ist Herr Walters da?
Wir möchten gerne zu ihm.«
» Was möchten Sie?«, fragte der Mann. Seine Stimme klang gereizt und ungeduldig.
»Mit Herrn
Walters sprechen«, wiederholte Ilona Patzak eine Nuance lauter.
»Wecken
Sie nicht gleich das ganze Haus auf«, herrschte der Mann sie an, dass sie gleich
wieder zwei Schritte zurück machte. »Wissen Sie nicht, wie spät es ist? Sie wollen
zu einem … Herrn Walters?«
»Ja! Er
wohnt nämlich hier«, erklärte Korber möglichst zurückhaltend.
»Ausgeschlossen,
denn ich wohne hier«, entgegnete der Mann mit derart erhobener Stimme, dass
es jetzt wirklich so manchen aus dem Bett werfen musste. »Ich, Felix Berndorfer!
Steht auf dem Türschild, steht unten, steht überall. Und wo Berndorfer draufsteht,
ist auch Berndorfer drin, verstanden? Einen Herrn Walters kenne ich nicht!«
»Entschuldigung«,
piepste Ilona Patzak.
»Nichts
da – Entschuldigung«, fauchte Berndorfer. »Sie verschwinden jetzt alle miteinander
auf der Stelle, sonst hole ich die Polizei wegen nächtlicher Ruhestörung. Ich halte
nämlich nichts davon, wenn sich drei Betrunkene um diese Zeit einen Jux machen.«
*
Anette Riedl atmete die Nachtluft
tief ein. So ruhig sie auch dagesessen war, sie hatte den Abend genossen: zuerst
die lustige Stimmung beim Heurigen, dann die Aufregung und die Diskussionen im Kaffeehaus.
Das alles war so spannend gewesen wie die Schauspielerei. Und sie mochte das Theaterspielen
und ihre Schauspielerkollegen. Selbst die Lehrer ihrer Schule verhielten sich hier
lockerer als sonst. Es war schön, dass sich alle für Toni Haslinger einsetzten,
der zwar ein eigentümlicher Bursche war, aber einfach dazugehörte. Nur die Bachmann-Schwestern
mochte sie nicht. Die wussten immer alles besser.
Sie überquerte
den Franz Jonas-Platz mit flottem Schritt und marschierte an der Autobushaltestelle
vorbei. Sie beschloss, auf die Busfahrt zu verzichten und zu Fuß nach Hause zu gehen.
Es war doch eine gewisse Menge an Alkohol zusammengekommen, an die ihr junger Körper
nicht gewöhnt war. So konnte eine Viertelstunde Bewegung nicht schaden. Außerdem
wollte sie noch ein bisschen ihren Gedanken nachhängen. Gewisse Dinge gingen ihr
nicht aus dem Kopf, so sehr sie es sich auch wünschte.
Ihre Eltern
hatten finanzielle Sorgen. Ihr Vater war zurzeit arbeitslos, und der Verdienst ihrer
Mutter als Teilzeitsekretärin war nicht gerade umwerfend. Zum Leben reichte es,
aber es musste auch ein Kredit zurückgezahlt werden, der seinerzeit für den Ausbau
des Gartenhauses aufgenommen worden war. Die Beschäftigungslosigkeit drückte zusätzlich
auf das Gemüt des Vaters. Er wich den Menschen und sämtlichen Aktivitäten aus, musizierte
nur mehr selten in einer Band mit seinen Ex-Kollegen. Anette war mehr davon betroffen,
als ihr lieb war: Sie erlebte den ständigen Streit ihrer Eltern hautnah mit. Sie
musste sich mit weniger Taschengeld bescheiden als ihre Mitschüler. Sie konnte an
ihrer Garderobe kaum Veränderungen
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