Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
tauchte Peter Pribil, wie immer auf Pünktlichkeit bedacht, auf. Dann
folgten in kurzen Abständen Ilona Patzak, Elfriede und Simone Bachmann, jede für
sich mit kleinen, selbstbewussten Schritten herantanzend; Sven Biedermann und Sonja
Friedl diesmal Hand in Hand, das Gemeinsame deutlich zur Schau stellend; Freddie
Glomser, den Kopf unruhig hin- und herbewegend, in Gedanken ganz bei seinen künstlerischen
Dispositionen; Anette Riedl, sich von Zeit zu Zeit nervös umschauend, ob Gefahr
im Verzug war; und schließlich, den Blick mehr zu Boden gesenkt als nach vorne gerichtet,
Fritz Stössl, der offenbar nur eins im Kopf hatte, nämlich den Satz, mit dem er
seinen Auftritt beginnen sollte.
Irgendwann,
um einiges später, knapp vor dem eigentlichen Anfang der Probe, erschien Toni Haslinger
auf der Szene. Der ewige Zuspätkommer und Drückeberger sah gar nicht so aus, als
ob er schon hineinwollte und zündete sich eine Zigarette an. Er war es, auf den
Leopold gewartet hatte. Sofort ging er auf ihn zu. »Na, warum sind wir denn jetzt
erst da? Und rauchen sogar noch eine?«, redete er ihn an. »Keinen Bock auf die Fragestunde
mit der Polizei?«
Toni antwortete
ein wenig genervt: »Ich habe Schule gehabt und dann war ich zu Hause essen. Das
wird man doch wohl noch dürfen, oder? Überhaupt, was geht Sie das an?«
»Ich denke
mir halt, man könnte das auch anders auslegen und sagen: Der hat was zu verbergen.«
»Wenn die
was wollen, kommen sie ohnehin zu mir.« Toni zog kurz und heftig an seiner Zigarette.
»Früher
oder später werden sie auch zu dir kommen«, prophezeite Leopold.
»Und wenn
schon!«
»Ich wäre
an deiner Stelle nicht so überheblich. Du weißt, wovon ich rede. Du bist trotz deines
Alters schon ein ganz schön frecher Grapscher und Stibitzer. Um wie viel verscherbelst
du zum Beispiel diese kleinen Dinger, die man für den Computer braucht, ich glaube,
man nennt sie USB-Sticks?«
Toni Haslinger
drehte sich zur Seite und wollte weg, aber Leopold hatte ihn bereits an der Schulter
gefasst. »Lassen Sie mich los! Ich weiß überhaupt nicht, was Sie meinen«, forderte
Toni mit einigen ungeschickten Handbewegungen, die ihm aber nichts nützten, im Gegenteil:
Leopold packte noch fester zu, und er musste seine Zigarette fallen lassen.
»Ich meine
die USB-Sticks, die vorige Woche in deinem Kostüm waren. Stiehlst du auch richtiges
Geld, zum Beispiel wenn die Leute gerade in der Alten Donau schwimmen und ihre Sachen
unbeaufsichtigt am Ufer liegen? Oder Zigaretten? Oder vielleicht gar – Zigarren?«
»Loslassen!
Sofort!«, schrie Toni, dessen Befreiungsversuche nach wie vor von keinem Erfolg
gekrönt waren.
»Erst wenn
du mir sagst, woher du die Zigarre hast, die im Augenblick in der Innentasche meiner
Jacke steckt«, forderte Leopold.
»Welche
Zigarre?«
»Ich glaube,
ich muss einmal deutlicher mit dir reden, Bürschchen«, sagte Leopold, ohne den Griff
zu lockern. »Sie ist bei deinem Kostüm gelegen, so wie die USB-Sticks. Gehört hat
sie Herrn Walters, es ist seine Marke. Du hast sie ihm entwendet. Die Frage ist
nur, wie und wann.«
»Ich schreie,
wenn Sie mich noch länger festhalten«, zeterte Toni.
»Ja, schrei
nur! Dann kommt gleich die Polizei heraus, und der kannst du etwas darüber erzählen,
wohin du die Ohrringe von Frau Friedl getan hast. Du hast sie doch noch nicht in
der Schule verscherbelt, oder?«
Toni Haslinger
wurde auf diese Worte Leopolds hin ruhiger und hörte auf, sich zu wehren. Leopold
ließ ihn wieder los. »Du hast die Zigarre von Walters«, fuhr er ungerührt fort.
»Du hattest eine Stinkwut auf ihn, weil er dich aus dem Ensemble hinausgeworfen
hat. Nach eurem Jux hast du schon einiges an Alkohol getankt gehabt, bist früher
aus dem Kaffeehaus weg, hin zur Alten Donau – hast vielleicht einen Tipp von Glomser
bekommen, oder es war Zufall – und tatsächlich, Walters nimmt dort, schon reichlich
beschwipst, ein Bad. Jetzt kommt er dir nicht aus. Du ziehst deine Sachen aus, schwimmst
auf ihn zu, bei der seichten Stelle etwas weiter draußen erreichst du ihn und drückst
seinen Kopf so lange unter Wasser, bis er tot ist. Das Gewand nimmst du mit, entsorgst
es irgendwo, und behältst als Triumph – eine Zigarre, nämlich diese!« Leopold zog
jetzt das edle, braune Stück aus seiner Jackentasche und hielt es Toni vor die Augen.
Natürlich war diese Geschichte, die er sich rasch aus den Fingern gesogen hatte,
ziemlich unglaubwürdig, aber sie zeigte Wirkung. Der sture Toni war
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