Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Vielleicht deshalb, weil
plötzlich eine erhebliche Summe Geld im Spiel war. »Ja«, kam es von ihr vielleicht
einen Tick zu schnell. Da wäre wohl mehr gelassene Neugier angebracht gewesen.
»Sie sollen
Geld bekommen. Aber wissen Sie auch, dass Sie Mitbewerber haben, die es Ihnen streitig
machen wollen?«, fragte die Stimme.
Mitbewerber?
Was sollte denn das heißen? Es war doch jetzt eindeutig bewiesen, dass sie das einzige
Kind von Walters war. Es konnte nicht sein, dass die Erbschaft, die man ihr an einem
Tag versprochen hatte, am übernächsten schon wieder fort war. Sie hatte eben erst
realisiert, dass sie ein kleines Vermögen ihr Eigen nennen durfte und sich darüber
zu freuen begonnen. Und jetzt wollte man ihr alles wieder wegnehmen?
»Sind Sie
noch dran?«, klang es an Anettes Ohr.
»Ja! Wer
will das Geld denn haben?«, erkundigte sie sich vorsichtig.
»Jemand,
den Sie kennen! Leute aus Ihrer Schauspieltruppe. Sie werden es früher merken, als
Ihnen lieb ist. Vielleicht heute schon«, redete der unbekannte Anrufer auf sie ein.
»Aber lassen Sie sich nicht beirren. Setzen Sie keine unüberlegten Handlungen! Ich
kann Ihnen helfen.«
Anette fühlte
sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie war es nicht gewohnt, mit ›Sie‹ angeredet zu
werden. Überhaupt war das ein komisches Telefonat. Aber etwas in ihr war so neugierig,
dass sie mehr über die Sache wissen wollte. »Sie können mir helfen? Wie denn?«,
platzte es aus ihr heraus.
»Es ist
zu kompliziert, um es am Telefon zu erklären. Wenn Sie mir vertrauen, können wir
uns heute am Abend treffen«, kam die Antwort. Es hörte sich gefährlich und verlockend
zugleich an.
»Wieso denn
nicht gleich?«
»Normale
Menschen, so wie ich, arbeiten untertags. Und Sie müssen ja heute auch noch zu Ihrer
Theaterprobe.«
»Sie wissen
ganz schön Bescheid!«
»Ich weiß
vor allem, wie ich Ihnen behilflich sein kann. Heute Abend werde ich Ihnen alles
auseinandersetzen.«
Anette überlegte
kurz. »Ich möchte meine Mutter mitnehmen.«
»Ihre Mutter?
Warum?«
Das wusste
Anette auch nicht so recht. »Zur Sicherheit«, meinte sie.
»Sie vertrauen
mir also nicht? Dann können wir es gleich bleiben lassen.«
»Nein, nein«,
lenkte Anette sofort ein. »Es war nur so eine Idee.«
»Aber keine
gute«, sagte der Anrufer. »Es würde die Dinge unnötig verkomplizieren. Gewöhnen
Sie sich daran, dass Sie die Begünstigte sind. Ihnen soll das Geld gehören. Und
seit kurzem sind Sie auch schon 18. Hören Sie sich einmal an, was ich zu sagen habe.
Sie können es Ihrer Mutter ja dann erzählen, wenn Sie wollen. Es dauert nicht lange,
das verspreche ich Ihnen.«
»Und wo?«
»Bei der
Tankstelle Ecke Floridsdorfer Hauptstraße und Jedleseer Straße. Um neun Uhr abends,
früher kann ich nicht. Ich werde dort einen Kaffee trinken und auf Sie warten. Seien
Sie bitte pünktlich, ich habe nicht ewig Zeit.«
»Bei einer
Tankstelle? Können wir uns nirgendwo anders treffen?«, wurde es Anette ein wenig
mulmig. Tankstellen waren so männlich dominiert.
»Es sollte
niemand Bescheid wissen, vor allem Ihre Schauspielkollegen nicht«, klärte der Anrufer
sie auf. »Die Sache ist doch relativ heikel. Deshalb habe ich einen Ort ausgewählt,
den sicher keiner von ihnen frequentiert. Er ist von Ihnen aus bequem zu erreichen,
und es ist immer etwas los dort. Sie brauchen also keine Angst zu haben.«
Anette hatte
in letzter Zeit immer Angst, deshalb war es ihr egal. »Also gut«, stimmte sie zu.
»Ich komme. Und was mache ich, wenn Sie nicht da sind?«
»Dann fragen
Sie einfach nach Herrn Alfred«, antwortete die fremde Stimme und legte auf.
*
Gerade rechtzeitig wollte Leopold
bei der Probe sein, jedoch keine Minute früher. Die Befragungen der Polizei interessierten
ihn nicht. Genauer gesagt hatte er vor, Oberinspektor Juricek erst dann wieder gegenüberzutreten,
wenn er den Fall gelöst hatte. Er konnte ihm noch immer nicht verzeihen, dass er
ihn so abgeschasselt und von jeglichem Informationsfluss abgeschnitten hatte. Es
war eine einseitige Aufkündigung der Zusammenarbeit aus mehr als fragwürdigen Motiven
gewesen.
Dennoch
spazierte Leopold schon vor Probenbeginn um das Haus der Begegnung herum und beobachtete,
wie die Mitglieder des Floridsdorfer Welttheaters einer nach dem anderen eintrafen.
Korber war wahrscheinlich schon drinnen und schwätzte mit Bollek über den gestrigen
Abend. Na gut, der war ja auch nicht so wichtig. Die anderen interessierten Leopold
mehr. Zuerst
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