Netha-Chrome
Schnelle nichts ein, um mich gegen die Stichelei der KI zu wehren. Sie hatte ja auch einen ordentlichen Namen erhalten.
„Hey, können Sie ihr nicht auch einen bescheuerten Namen verpassen?“, fragte ich Oakland, aber da hatte sich Sydney bereits ihren ID-Würfel geschnappt.
„Nein, kann er nicht“, sagte sie knapp. Ich holte tief Luft und drehte meinen Würfel zwischen den Fingern hin und her.
„Man muss dieses Ding also einfach nur in der Tasche mit herumschleppen?“, fragte ich den Sergeant. Dieser nickte.
„Ja. Er sendet von sich aus den falschen ID-Code aus und überlagert den richtigen, der vom Nano-Boss ausgegeben wird. Verlieren sie ihn also bitte nicht.“
Ich steckte mir das kleine Teil zusammen mit dem Emitter in die Hosentasche.
„Mache ich nicht“, entgegnete ich dann. „Wären wir dann soweit?“
„Ja“, nickte Oakland. „Von meiner Seite her wären wir soweit.“
„Hast du noch was vor?“, fragte Sydney, die meine Ungeduld bemerkt hatte.
„Toluca war heute Morgen nicht beim Briefing, obwohl er es eigentlich vorhatte. Ich will nach ihm schauen, bevor wir unsere Mission antreten.“ Sydney nickte.
„Ja, tue das. Ich muss mir noch zivile Klamotten besorgen bevor wir starten. Meinen Salina-Mantel werde ich wohl für längere Zeit in den Schrank hängen müssen.“
Ein bisschen Wehmut schwang in ihrer Stimme. Bevor diese ganze Scheiße auf uns eingeprasselte, war sie ein vollwertiges und hoch angesehenes Mitglied des MSS. Sie war gefestigt gewesen in dem, was sie tat. Für sie musste es noch sehr viel schwieriger sein, das alles von jetzt auch gleich aufzugeben. Ich, der erst wenige Wochen beim MSS gearbeitet und sich dort auch keine Freunde gemacht hatte, konnte es verschmerzen, nie wieder das Office betreten zu können. Oder zumindest für eine sehr lange Zeit. Sydney hingegen war eine Agentin durch und durch gewesen. Und jetzt? Jetzt musste sie die Rolle der Untergrundkämpferin spielen, der gejagten Widerständlerin. Ich musste das zwar auch und war genauso ins kalte Wasser geworfen worden wie sie. Aber ich war ein Mensch. Und eine Besonderheit bei uns Menschen war es nun mal, sich ziemlich schnell den wechselnden Gegebenheiten anpassen zu können. Wie schnell sich eine KI daran gewöhnen konnte, urplötzlich eine völlig andere Rolle spielen zu müssen, blieb abzuwarten.
Wir zogen es vor, uns nicht vor den Augen des Sergeants zu küssen, und so verabschiedeten wir uns durch einen einfachen Blickkontakt voneinander.
Eine Weile dauerte es schon, bis ich Tolucas Quartier wiedergefunden hatte. Zwar hätte ich mich erneut durchfragen können, aber die Blöße wollte ich mir einfach nicht geben. Also musste ich rund eine halbe Stunde durch die Gänge irren, bis ich am Ziel angelangt war.
Toluca reagierte nicht auf mein Klopfen. Ich rief seinen Namen, aber es drang keine Antwort aus dem Inneren. Die Tür war verriegelt und nur durch eine Spracherkennung zu öffnen. So suchte ich mir das nächstgelegene Bedienpult, um den Basis-Computer zu bitten, mir den Aufenthaltsort von Toluca zu nennen. Vielleicht war ihm etwas passiert und er lag bewusstlos in seinem Quartier. Oder er hatte es einfach verlassen und hinter sich abgeschlossen. Ich musste sichergehen.
„ Anfrage kann nicht bearbeitet werden “, meldete sich die Frauenstimme des Basis-Computers. „ Der angegebene Name ist nicht in den Datenbanken enthalten. “
Ich überlegte kurz, wie Tolucas richtiger Name lautete. Er hatte ihn zwar genannt, aber gemerkt hatte ich ihn mir nicht. Düsentrieb? Rentierheim? Düsenheim-Rentiertrieb? Ach verdammt!
Gera. Gera fiel mir gerade noch ein, also benutzte ich die Suchfunktion. Und siehe da, der Basis-Computer kannte ihn doch.
„ Die ID von Gera Deuisenberg-Rennerheim kann nicht geortet werden. Vermutlich befindet sich die gesuchte Person außerhalb meiner Reichweite. “
„Heißt das, er hat die Basis verlassen?“, fragte ich.
„ Höchstwahrscheinlich “, antwortete die Stimme.
„Wie kann es sein, dass der Kerl einfach so abhaut, ohne dass es irgendjemandem auffällt?“, fauchte ich den Computer an.
„ Diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten. “ Blöder Blechkasten!
„Danke für nichts“, knurrte ich, ballte meine Faust und wandte mich von der Konsole ab.
„ Gern geschehen “, trällerte die Stimme fröhlich und schaltete sich selbsttätig ab.
Meine Gedanken kreisten. Wieso hatte er einfach so die Basis verlassen? Und vor allem, wie? Um von hier aus
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