Netha-Chrome
das ich auf dem Boden verteilt hatte, ihre Miene verzogen.
„Ach, ich bin einem alten Bekannten begegnet, nichts Ernstes. Ich blute nur wie eine Sau, aber so schlimm ist es wohl nicht, ansonsten wäre ich ja bestimmt schon behandelt worden!“
Ich hob meine Stimme an in der Hoffnung, jemand würde meinen Protest am Rande mitbekommen und sich saumäßig schlecht fühlen. Aber auch da wurde ich enttäuscht.
„Komm mit, ich sehe mir das mal an“, sagte Tijuana und zog mich in eine kleine, mit einem Vorhang abgetrennte Kabine auf dem breiten Flur der Notaufnahme. Durch die offensichtliche Improvisation fühlte man sich irgendwie ein wenig in die Zeit zurückversetzt, als Ärzte einen Patienten noch mit grauenvollen Werkzeugen aufgeschnitten und in ihren Eingeweiden rumgewühlt hatten. Heutzutage wurde so etwas von Mikro-KIs und Nano-Teilchen besorgt. Ein Hoch auf die moderne Technik!
„Tut mir leid, hier ist im Moment alles ein wenig improvisiert“, sagte Tijuana und deutet mir, den Mantel abzulegen.
„Dafür musst du dich nicht entschuldigen, Ti“, sagte ich, streifte den Mantel ab und legte ihn neben mich. Darunter kam ein völlig blutdurchtränktes Hemd zum Vorschein.
„Dein Hemd auch“, sagte Ti und legte ein verschmitztes Lächeln auf, während sie ihren Zeigefinger in der Luft kreisen ließ. Ich lächelte zurück.
„Für dich ziehe ich mich doch gerne aus, Baby.“ Ich streifte das klatschnasse Hemd über den Kopf und erschrak über den Anblick der tiefen Wunde, die meine Schulter zierte. Ich schluckte schwer und kalter Schweiß rann meinen Rücken hinunter. Hätte ich bloß nicht hingeschaut.
„Dich hat es ganz schön erwischt, Sergeant“, bemerkte Ti und nahm die Wunde in Augenschein, als sie sich an die Krankenhaus-KI wandte. „CAT? Bitte um Aufnahme von Patient Johnston, Arkansas in die Krankendatei. Vorgangsnummer 16743, Patientennummer zweiundsiebzig.“ Ich schmunzelte leicht.
„CAT?“
„Central Ambulant Technology“, antwortete Tijuana trocken.
„ Patient wird aufgenommen“, antwortete die unsichtbare Frauen-Stimme der KI. Sie war sanft und wohlklingend. Alles andere hätte mich in einem Krankenhaus auch sehr gewundert. Es war schon unangenehm genug, hier sitzen zu müssen, da sollte man sich wenigstens nicht von einer dominanten Sadomaso-Stimme angrunzten lassen wie in manch anderen öffentlichen Gebäuden.
„Muss das denn wirklich sein, Ti?“, fragte ich. Die Latina zuckte mit den Schultern.
„Wenn ich eine Behandlungsfreigabe erhalten will ja. CAT? Bitte transferiere die Bio-Daten von Patient Johnston, Arkansas in den Hospital-Server.“
„ Verstanden“, säuselte die KI und BAS signalisierte mir gleich darauf eine Anfrage für einen Zugriff. Ich stimmte zu und der Transfer lief an. Neben Ti erschien nun ein Holobild mit der hochaufgelösten Röntgenaufnahme meiner Schulter, daneben waren die multiplen Verletzungen aufgelistet mitsamt der anzuwendenden Behandlungsmethode. Ti betrachtete das Bild und die Daten eine Weile und nickte dann.
„Es wurden zwei größere Blutgefäße angeritzt. Du hast Glück gehabt, dass sie nicht durchtrennt wurden, ansonsten säßest du jetzt nicht hier.“ Ich zeigte, unbeeindruckt von Tijuanas Diagnose, auf das Bild neben uns.
„Das Ding sagt dir nicht nur, was mit mir los ist sondern auch, was zu tun ist?“
Meine Waffengefährtin nickte und ich hob die Schultern leicht an. „Wozu gibt es dann überhaupt noch Ärzte? Das bekäme sogar ich noch hin.“ Tijuana zog die Augenbrauen herunter, drückte mich rücklings auf die Liege und zückte eine riesige Spritze, die wie aus dem Nichts in ihre Hand geraten schien.
„Könntest du auch das hier?“, fragte sie etwas gereizt und rammte die Hypno-Spritze in meinen Arm. Ich zischte.
„Autsch! Geht das auch ein wenig weniger rabiat?“
„Wenn du dir das Ding hier gesetzt hättest, hättest du vor Schmerzen geschrien.“
„Na klar“, maulte ich. „Was war da eigentlich drin?“
„Nano-Bots, programmiert auf die Reparatur von beschädigten Blutgefäßen. Im Augenblick ihrer Injektion beginnen sie mit der zellularen Reparatur. Wenn ihre Aufgabe erledigt ist, lösen sie sich von selbst auf und werden durch die Schweißdrüsen aus dem Körper geschwemmt.“
Ich verzog mein Gesicht. „Das klingt ganz schön ekelig.“
„Verbluten ist ekelig“, konterte Ti. „Das hier ist die moderne Medizin. Was zum Henker hat dein Bekannter überhaupt mit dir angestellt? Womit hat
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