Netha-Chrome
zuerst an mich, dann an den Türsteher. Dieser zog seine Augenbrauen herunter.
„Er wird schon noch kommen“, antwortete er genervt. „Wollt ihr jetzt was trinken oder nicht?“ Obwohl mir nicht nach Alkohol zumute war, wollte ich dennoch etwas bestellen, um nicht aufzufallen. Man kam schließlich in eine Bar, um etwas zu trinken, nicht um dumm an einem Stehzisch herumzustehen und die Gegend zu beobachten. Das könnte unter Umständen irgendjemanden auf die Idee bringen, nachzufragen.
„Ich nehme einen doppelten Liman`s Ice. Und Sie Sydney?“ Ich bedachte sie mit einem Blick der ihr verriet, dass sie auf jeden Fall etwas bestellen sollte. Die Agentin neigte den Kopf zur Seite.
„Führen Sie Synthol?“ Der Türsteher verzog erneut etwas angewidert seine Miene.
„Ja, das ganze Lager ist voll von diesem Scheißzeug. Der Boss meinte, wir müssten auch in der Lage sein, diese Art von Kundschaft zu bedienen und hat deshalb einen ganzen Jahresvorrat geordert. Ich habe diesem Blödmann gesagt, dass wir das Zeug irgendwann wegschütten müssen, weil sich hier eh keine von diesen verdammten Schrauben her verirrt. Und ich hatte bis heute Recht damit.“
Ich schluckte und schaute Sydney an. Dieser Kerl sprach so abwertend über KIs, dass ich eigentlich mit einer Reaktion meiner Partnerin rechnete. Doch diese blieb unbeeindruckt.
„Na, da habe ich ja richtig Glück, was?“, sagte Sydney zynisch. Der Türsteher hingegen schien von dieser Antwort doch ein wenig beeindruckt. Zynismus kam bekanntermaßen bei Standardmodellen nicht vor.
„Sind Sie sicher, dass Sie eine KI sind?“ Sydney stützte lässig ihren Ellenbogen auf den Tisch.
„Ziemlich sicher. Bekommen wir jetzt endlich was zu trinken, Alter ?“ Ich kniff kurz die Augen zu. Sydneys Versuch, die hiesige Ausdrucksweise anzuwenden, war vollkommen in die Hose gegangen. Wer sagte heutzutage schon noch Alter? Das machten nicht mal mehr die Porters !
Der Kerl grunzte leise, drehte sich herum und murmelte etwas, dass ich als: „Abfackeln sollte man euch Scheiß-KIs“, interpretierte. Sydney schnellte hervor, riss den total perplexen Kerl am Ärmel herum und verpasste ihm in unmenschlicher Geschwindigkeit einen Kinnhacken, der ihn durch die halbe Bar katapultierte. Ich zuckte zusammen und mein Griff fuhr automatisch zu meiner Sixton. Eine Kneipenschlägerei in einer solchen Gegend anzuzetteln hielt ich für keine gute Idee. Ganz im Gegenteil. Das war eine strunzdumme Idee!
„Sydney!“ Die KI drehte sich zu mir herum und warf mir einen Blick zu, der mir vermutlich deuten sollte, dass sie alles im Griff hatte.
Erst jetzt bemerkten die ersten Gäste, was los war und machten sich für eine gepflegte Schlägerei startklar, doch als sie bemerkten, wer da gerade zu Boden gegangen war, klatschten sie Beifall und johlten. Entweder war der Kerl hier alles andere als beliebt, oder das Volk erfreute sich einfach nur einer guten Show. Weibliche Bullen-KI verprügelte KI-hassenden Türsteher. Wenn ich nicht mittendrinn gestanden hätte, hätte ich mich vermutlich ebenfalls darüber amüsiert. Momentan jedoch empfand ich das Ganze als völlig unnötig und gefährlich.
Der geschlagene Türsteher rappelte sich indes hoch und wischte sich das Blut von der Lippe.
„So, du willst also Ärger haben, Kleines?“, giftete er. Sydney postierte sich breitbeinig vor ihn und wurde doch tatsächlich von den umstehenden Gästen des Matilda`s frenetisch angefeuert. Ich schaute mich um und glaubte mich gerade im völlig falschen Film.
„Glaubst du, du wärst der erste KI-Hasser, dem ich eine blutige Lippe verpasst habe?“, spottete Sydney und warf ihre Blicke kurz zu mir herüber. „Mit Typen wie dir habe ich genügend Erfahrung.“ Mir fiel die Kinnlade fast bis zum Boden. Was war in diese KI gefahren?
„Sydney!“, rief ich erneut, da stob der Türsteher bereits auf meine Partnerin zu. Doch diese zuckte blitzschnell beiseite, sodass der Kerl an ihr vorbeisprang und zwei Stehtische in der Ecke niedermähte. Leere Flaschen und Gläser flogen durch die Gegend, die Gäste grölten und stimmten anfeuernde Rufe an, lediglich der seltsame Kerl in der Ecke schaute sich das Spektakel völlig unbeeindruckt an.
Ich schlug die Hände vors Gesicht, als könne ich mich so einfach in Luft auflösen, als ein schmächtiger, blasser Junge die Kampfbahn betrat und den Türsteher gerade noch rechtzeitig von einer weiteren sinnlosen Attacke abhielt.
„Manchester! Es reicht!“, fauchte ihn
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