Netha-Chrome
nicht“, antwortete Omega-Theta. „Zumindest nicht im Moment.“ Ich hielt den Atem an, als sich Sydney in die Diskussion einmischte.
„Ihr wusstet also, dass sie geschädigt werden konnte und habt das Programm dennoch auf den gesamten Stream losgelassen?“ In ihrer Tonlage schwang Ärger mit.
„Ich habe euch doch erklärt, dass uns keine andere Wahl blieb“, wehrte sich Omega. Sydneys Miene verdunkelte sich.
„Tijuana ist eine Hackerin“, knurrte sie. „Sie ist eine von euch. Toluca hat ihr gar angeboten, ihm in das Gebilde zu folgen. Ihr wusstet, dass euer Plan, die gesamte Bevölkerung vom Mentha-Programm zu befreien, eure Freundin und viele andere Menschen schwer beschädigen oder gar umbringen konnte, und habt es dennoch durchgezogen?“
Ich schaute die KI an. In ihr staute sich gerade die Wut, das war deutlich zu sehen. Und ich konnte ihr das nicht einmal verübeln. Tijuana war ihre Freundin, vermutlich die einzige, die diese KI hatte. Und obwohl ich ebenfalls gerne ziemlich wütend über diese Tatsache geworden wäre, so konnte ich doch auch die Notwendigkeit in dieser Vorgehensweise entdecken. Weder hatten sie jeden Marsianer vorher untersuchen können, noch konnten sie jeden einzelnen separiert behandeln.
„Sydney“, versuchte ich die KI zu beruhigen, doch Omega gestand überraschend seinen Fehler ein.
„Nein Arkansas. Sydney hat Recht. Wir wussten, zumindest in Tijuanas speziellem Fall, dass es ein tödliches Risiko war. Toluca und ich hätten sie vorher ins Gebilde bringen und vom Stream trennen sollen. Es…es wäre ganz alleine unsere Schuld, wenn ihr etwas passiert wäre. Wir hätten mit der Schuld leben müssen, wären gar Tausende dabei umgekommen oder geschädigt worden. Wenn wir es so betrachten, können wir von Glück sagen, dass der Blackout lediglich Ohnmachtsanfälle und Erinnerungslücken bei den Menschen hervorgerufen hat.“
„Aber sagtest du nicht vorhin, dass es bei einigen funktioniert hat?“, fragte ich Omega und versuchte, das Thema von Tijuana wegzulenken. Meine Gedanken schlugen Kapriolen, wenn ich an meine Waffengefährtin dachte und ich war mir sicher, dass es bei der KI nicht anders war. Aber wir durften nicht durchdrehen. Nicht jetzt. Wir brauchten einen klaren Gedanken.
„Bei Dreien, soweit ich weiß“, antwortete Omega-Theta. „Bei allen anderen wurde Eraser entweder von den bosseigenen Firewalls eliminiert oder verfehlte die ID-Adressen komplett. Das Programm hängt im Stream ohne irgendwelche Auswirkungen zu haben.“
„Deswegen haben wir bei euch die direkte Kontaktübertragung gewählt“, ergänzte Washington. „Toluca hat eure Nano-Bosse gehackt, damit Omega-Theta Eraser direkt in euren zentralen Cortex-Verteiler bringen konnte.“
„Drei erfolgreiche Behandlungen“, murmelte ich nachdenklich. „Eine ziemlich magere Ausbeute bei drei Millionen Einwohnern.“
„Hatten wir Anfangs auch gedacht“, warf Washington missmutig ein. „Aber im Nachhinein sind wir doch froh, dass es eben nicht funktioniert hat. Wir waren verzweifelt und haben die Schädigung von tausenden Unschuldiger in Kauf genommen. Und das nur um die Möglichkeit zu wahren, einen Krieg zu verhindern.“
„Ein Krieg, der Millionen das Leben kosten könnte“, wandte Omega ein und schüttelte traurig den Kopf. „Es ist schrecklich, wenn man solche Entscheidungen treffen muss.“
Ich presste meine Lippen aufeinander und nickte.
„Ich weiß“, sagte ich leise und musste daran denken, wie oft ich solche Entscheidungen im Krieg hatte tragen, beziehungsweise ausführen müssen. Man opferte einen seiner besten Männer, um andere zu retten. Man opferte einen ganzen Zug, um eine wichtige Stellung zu halten. Man opferte ein Bataillon, um eine nachrückende Armee zu schützen. Es waren schon immer die Wenigen, die geopfert werden mussten, um die Vielen zu schützen.
Im Augenwinkel sah ich, wie Sydney ihren Kopf senkte. Ihr Zorn wich der Sorge um die Latina. Um das zu erkennen, brauchte ich kein Student für kybernetische Verhaltens,- und Ausdrucksmuster zu sein.
Ich legte sanft meinen Arm um ihre Schulter. „Wir finden eine Möglichkeit, ihr zu helfen“, flüsterte ich der Agentin zu. „Ich lasse nicht zu, dass ihr etwas passiert. Und ich lasse auch nicht zu, dass sie bis an ihr Lebensende von diesem Scheißprogramm beherrscht wird.“
Sydney schaute mich an, ihre Augen glänzten. Wäre sie keine KI, so hätte ich schwören können, dass es Tränen waren, die da in ihren
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