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Netha-Chrome

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Titel: Netha-Chrome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janco Weiland
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leise und drehte sie zu mir. Wir schauten uns an. Ihre Augen waren so kalt und ausdrucklos wie ihre Stimme.
    „Sicher!“
    Ich neigte meinen Kopf zur Seite. „Ich beneide Sie manchmal, Sydney. Ich habe das Gefühl, dass Sie auf Knopfdruck alles abstellen können, was Sie bewegt.“
    „Das kann ich auch“, entgegnete sie kalt. Ich kniff die Lippen zusammen.
    „Es lag einmal in Ihrem Bestreben, menschlicher zu werden. Ein Mensch kann nicht einfach seine Emotionen abstellen.“
    „Dieses Bestreben ist momentan nicht vorhanden, wie Sie vielleicht bemerkt haben.“
    „Nur weil es schwierig werden könnte, wenn Sie Ihre Gefühle zulassen?“, fragte ich. Ich wusste nicht, warum ich das fragte. Vielleicht war ich in diesem Augenblick neidisch auf Sydney, weil sie ihre ganzen störenden Gefühle abstellen konnte. Vielleicht wollte ich aber auch einfach nur nicht, dass sie sich wieder verhielt wie die gefühlskalte KI, die sie einst gewesen war. Vielleicht wollte ich nicht zulassen, dass sie wieder zu der kalten Maschine wurde, die mich einst regelmäßig in den Wahnsinn getrieben hatte. Sydney hatte so große Fortschritte in Sachen Menschlichkeit gemacht, hatte gelernt, mit ihren Gefühlen umzugehen. Zumindest größtenteils. Sie hatte gelernt zu lachen, hatte sogar einen ganz eigenen Humor entwickelt. Ich hatte mich in die lachende, humorvolle und durch und durch menschliche Sydney verliebt. Was würde ich tun, wenn sie das alles nun nicht mehr war? Wenn sie das nicht mehr sein wollte und sich hinter die Maschinen-Fassade zurückzog?
    Ich hatte Tijuana für den Moment verloren. Ich konnte nicht auch noch zusehen, wie ich Sydney wieder an die Maschine verlor. Ich brauchte jemanden an meiner Seite. Ich brauchte Sydney an meiner Seite. Und zwar die Sydney, die ich lieben gelernt hatte und nicht die unterkühlte Maschine.
    Nun neigte auch die KI ihren Kopf zur Seite und zog die linke Augenbraue hoch.
    „Wieso wollen Sie unbedingt, dass ich Gefühle zeige? Ausgerechnet jetzt?“
    Ich ließ von ihren Schultern ab. „Na weil…weil…ich denke, dass wir über das alles hier reden sollten.“
    „Wenn Sie reden wollen, dann reden Sie. Ich höre Ihnen zu. Wenn Sie wollen, die ganze Nacht. Ich benötige keinen Schlaf.“
    „Sie verstehen nicht, was Sydney? Zum Menschsein gehören nicht nur positive Empfindungen. Wenn Sie sich vor den schlechten Empfindungen und Emotionen verschließen, so wie jetzt, werden Sie niemals verstehen was es heißt, ein Mensch zu sein. Sie haben auf Maschinenmodus umgeschaltet, okay. Das kann ich Ihnen nicht einmal verübeln. Aber wie Sie vielleicht schon gemerkt haben, möchte ich Ihnen dabei helfen, alle Aspekt des Menschseins zu verstehen.“
    „Was wollen Sie damit sagen? Möchten Sie, dass ich um Agent Washington trauere?“
    Ihre Miene blieb hart wie Marsgestein. Es erschreckte mich. Zumal ich wusste, wie gut sie inzwischen mit Emotionen umgehen konnte. Sie flüchtete sich gerade per Knopfdruck in die vollkommene Emotionslosigkeit, anstatt auch diese Erfahrung zu machen.
    „Ich möchte, dass Sie auch jetzt ihre Emotionen zulassen, Sydney.“
    „Wieso?“, fragte sie und hob plötzlich ein wenig die Stimme an. „Wieso wollen Sie das? Wieso wollen Sie unbedingt, dass ich negative Emotionen empfinde?“
    Ich stockte und schaute die KI nun etwas verwundert an.
    „Sie…Sie haben Angst“, bemerkte ich leise. „Sie haben Angst davor, ihre Gefühle zuzulassen.“
    „Das ist nicht wahr!“, fuhr sie mich an.
    „Oh doch, das ist es Syd! Sie haben Angst, hier und jetzt ihre Gefühle zuzulassen und sie auch zu zeigen. Aber das gehört nun mal zum Menschsein dazu!“
    Sydney zuckte zur Seite und hielt mich mit ausgestrecktem Arm auf Abstand.
    „Ich bin kein Mensch, Arkansas! Ich war nie ein Mensch und werde auch niemals ein Mensch werden, selbst wenn Sie sich das noch so wünschen. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie mir zeigen wollen, wie ein Mensch zu sein. Aber wenn ich sehe, zu was Menschen alles imstande sind, möchte ich auf keinen Fall so werden wie ein Mensch!“
    Sie hatte ihre Stimme noch weiter angehoben und klang etwas zitterig. Ich lächelte leicht.
    „Jetzt haben Sie Ihre Emotionen doch zugelassen, Sydney“, bemerkte ich und tat einen Schritt auf sie zu, doch die KI wandte sich von mir ab und kehrte mir wieder den Rücken.
    „Danke für diese Lektion, Arkansas. Aber sie wäre nicht vonnöten gewesen.“
    Und schon hatte sie wieder umgeschaltet. Ich presste die Kiefer

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