Netha-Chrome
begleitet. Hier unten bekam man wohl selten Besuch.
Die Schwebebrücke schwankte bedächtig. Man sollte meinen, dass hier unten kein Wind ging. In der Stadt ging schließlich auch kein Wind, es sei denn, der allabendliche Luftaustausch sorgte für frischen Sauerstoff. Aber hier auf der Brücke blies eine ständige Briese.
Ich schaute hoch. Mehrere Meter über uns thronten vier riesige Ventilatoren. Angesichts der stickigen Luft hier unten musste ich davon ausgehen, dass diese Teile etwas zu schwach ausgelegt waren, obwohl sie einen ordentlichen Wind machten. Vielleicht war das Underwelth aber inzwischen auch einfach nur vollkommen überbevölkert. Je mehr Menschen hier unten lebten, desto mehr frische Luft wurde schließlich verbraucht.
Von oben ging mein Blick nun direkt steil nach unten. Ich hatte noch nie in meinem Leben an Höhenangst gelitten, aber den Blick von dieser Brücke nach unten hätte ich mir dann doch besser geschenkt. Wenn man schwankend in der Luft hing, auf einem knapp zwei Meter breiten Stück Metall, an dem links und rechts einfach nur Haltestangen befestigt waren, konnte einem schon anders werden. Und wenn man dann nicht einmal das Ende des Loches unter einem sehen konnte, war das mehr als beunruhigend.
„Wisst ihr“, begann Toluca mit hinter dem Rücken verschränkten Armen, als machte er einen gemütlichen Spaziergang im Park. „Alle Hacker des Gebildes leben hier unten. Hier kümmert es keinen, wenn ein paar Verrückte zwei Tage lang eine Hyperschlaf-Einheit in einer ihrer Wohnzellen installieren. An der Oberfläche wäre das nicht gegangen. Da hätten die Sicherheitskräfte sofort Fragen gestellt.“
„Eine Hyperschlaf-Einheit in seiner Bude zu haben ist doch nicht verboten“, warf ich ein, war mir dessen augenblicklich aber schon nicht mehr ganz sicher. Ich schielte zu Sydney herüber.
„Nein, ist es nicht“, antwortete sie anstelle von Toluca. „Aber der MSS hätte dennoch die ein oder andere Frage gestellt. Zum Beispiel, welchem Zweck eine derart aufwendige Installation dient.“ Toluca nickte der Agentin zustimmend zu.
„Aber ihr seid nicht zu diesem Zweck hier runtergezogen, oder?“, fragte ich den Regulat.
„Nein. Aber unsere…Wohnsituation kam uns in dem Bestreben, unser Leben so oft und so lange es nur geht im Gebilde zu verbringen, einfach sehr gelegen. Keiner von uns hatte zuvor ein geregeltes Leben, also vermisste uns auch keiner. Im wahren Leben sind wir allesamt Versager und jämmerliche Verlierer, die unter der Oberfläche hausen. Im Gebilde ist das nicht so.“
Ich nickte verstehend. Wenn ich hier unten hätte leben müssen, keinen Job und kein wirkliches Leben gehabt hätte, hätte ich mir wohl auch ein vollkommen anderes Leben in einer neokortikalen Welt eingerichtet.
Als wir die Brücke verlassen hatten, atmete ich durch. Obwohl die ebenfalls knapp zwei Meter breiten Gitter-Stege, die vor den Wohnzellen entlangliefen, nicht viel stabiler schienen, fühlte es sich wenigstens so an, als hätte ich festen Boden unter den Füßen.
Wir gingen die Reihen der Parzellen ab. Jede von ihnen war nummeriert und hatte einen schmalen Sehschlitz als Fenster nach „draußen“. Toluca blieb vor der Wohnzelle AA23 stehen.
„Hier könnt ihr fürs Erste bleiben“, sagte er und legte seine Hand auf ein kleines Paneel neben der Schiebtür, die sich dann zischend öffnete.
„Wir? Und was ist mit dir?“, fragte ich den Regulat. Dieser nickte in Richtung seiner Wohnzelle.
„Schaut euch um. Für drei Menschen ist hier drinnen kein Platz. Ich komme solange bei einem befreundeten Hacker unter.“
Ich betrat etwas zögerlich die Zelle. Es war wirklich ziemlich eng. Ein Zimmer mit einem Bett, ein kleiner Schrank und ein, mit grünlicher Flüssigkeit gefüllter, aufrechtstehender Tank. Ich vermutete, dass dies die Hyperschlaf-Einheit war. Links und rechts neben dem Tank befanden sich Bedientafeln mit einer Vielzahl an blinkenden Tasten und Knöpfen. Ich fragte mich, wie man in dieses Ding einstieg, denn nach oben hin war überhaupt kein Platz. Nicht, dass ich scharf darauf gewesen wäre, es auszuprobieren, denn das Ganze sah in keiner Weise vertrauenserweckend aus.
„Darin liegt man also, wenn man in deine Welt reist?“, fragte ich Toluca und zeigte auf den Tank.
„Ja. Die Hydrations-Flüssigkeit darin versorgt den Körper mit allem, was er benötigt, während wir schlafen.“
„Und wie kommt man da rein?“
Toluca ging wortlos zum Tank und öffnete die
Weitere Kostenlose Bücher