Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
ist anstrengend, und man kann leicht dabei scheitern. Selbst Beliebtheit kann mitunter nerven, denn auch ein charmanter oder charismatischer Mensch kann nicht alle Ansprüche und Bedürfnisse seiner Anhänger und Verehrer erfüllen. Wer Charme hat, weiß nicht nur um seine Vorzüge, sondern kennt auch seine Abgründe und Schwächen. Wie sonst könnte er so unterhaltsam und anregend darüber berichten. Doch auch bei ihm gibt es Tage und Stunden, an denen er über seine Schwächen nicht mehr lachen kann. Willy Brandt, ein zweifellos charmanter und charismatischer Mann, wurde 1969 zum Bundeskanzler gewählt, allerdings war er an manchen Tagen so unglücklich, dass er es manchmal nicht schaffte, ins Kanzleramt zu gehen. Kanzleramtschef Egon Bahr und Hans-Jochen Vogel mussten des Öfteren zu Willy Brandt nach Hause fahren und ihn bitten, doch wieder regieren zu kommen.
Deswegen ist es auch nicht allzu furchtbar, wenn man nicht als supercharmante oder gar als charismatische Persönlichkeit auf die Welt gekommen ist.
Und zum Glück lässt es sich ebenso leicht erlernen, ein kleines bisschen charmant zu sein wie sich gut zu benehmen – mit dem Vorteil, dass Charme effektiver ist als feine Manieren. Auf den nächsten Seiten können Sie nachlesen, wie Sie sich in vier Schritten eine etwas charmantere Art zulegen.
SO WERDEN SIE CHARMANT
Erster Schritt
Gespielte Naivität
Die wichtigste Eigenschaft eines Charmeurs ist die »gespielte Naivität«. Geben Sie sich so, als würden Sie die allgemeine Verhaltensregel, unliebsame Gedanken oder wahre Absichten in der Öffentlichkeit besser zurückzuhalten, nicht kennen. Besonders heftige Aussagen können Sie durch ein anschließendes Lachen etwas abfedern.
Ihrem Gegenüber einen überraschenden Einblick in Ihre Gedankenwelt zu gewähren, macht Sie charmant. Ihre Schwächen und schlechten Seiten sind hierbei Ihr größtes Kapital! Wichtig ist, dass Sie das, was in Ihnen vorgeht, nicht in Kombination mit einer Entschuldigung vorbringen. Ihr Innenleben ist ein »Geschenk« an den anderen: Ihr Gesprächspartner genießt – warum auch immer – Ihr besonderes Vertrauen, und genau das lässt ihn sich auch als etwas Besonderes fühlen.
Beispiele
»Wie kommen Sie denn zu dieser hübschen Frau, Sie sind doch so ein hässlicher Mann?«
Bob Geldof zu Dirk Niebel bei der Berlinale 2010
Der Vater der Schauspielerin Judith Döker belauscht neugierig ein Gespräch am Nachbartisch im Restaurant. Die Leute bemerken dies und fragen ärgerlich: »Wollen Sie sich vielleicht dazusetzen, dann hören Sie besser?« Er antwortet: »Nein danke, sehr aufmerksam von Ihnen, aber ich höre von hier sehr gut.«
»Passen Sie auf, was Sie mir erzählen, ich kann nichts für mich behalten.«
Prof. Dr. Markus M. bei einem Empfang in Potsdam
»Sie wollen mich doch nicht etwa zu Tode langweilen?« (lacht)
Eine Frau zu ihrem Gesprächspartner bei einer Vernissage
»Die Chinesen haben Tibet annektiert (lacht). Das wollen die Machthaber in China nicht einsehen (lacht wieder). «
Der Dalai-Lama in dem Zeit -Interview anlässlich seines Deutschlandbesuchs 2009
»Ach, ich rede ja die ganze Zeit von mir. Kommen wir zu Ihnen. Wie hat denn Ihnen mein neues Buch gefallen?«
Der Feuilletonist Fritz J. Raddatz in einem Interview
Zweiter Schritt
Den Unsinn im Kopf zum
Gesprächsthema machen
Das Innenleben eines jeden Menschen liefert am laufenden Band die interessantesten und lustigsten Gesprächsthemen. Leider ist es aber nicht nur so, dass sich die meisten nicht trauen, darüber zu sprechen, sondern sie können es gar nicht: Unsere chaotische Gedankenflut voller peinlicher und unmöglicher Einfälle wird nämlich meistens schon einer Zensur unterzogen, bevor wir sie überhaupt wahrnehmen. Doch genau dieses innere Chaos ist der wichtigste Fundus eines Charmeurs. Scheuen Sie sich daher nicht vor Peinlichkeiten und Absurditäten, denn im Prinzip ist das der gleiche Wirrwarr, der auch in allen anderen Köpfen herumschwirrt. Widmen Sie also dem Unsinn in Ihrem Kopf genauso viel Aufmerksamkeit wie Ihren ernsthaften und zielgerichteten Überlegungen, und halten Sie die besten Lächerlichkeiten für den Ernstfall bereit.
Ich stellte zum Beispiel während der Regierungszeit von Gerhard Schröder fest, dass ich einen gedanklichen Tick entwickelt hatte: Anfangs sporadisch, schließlich immer öfter trug ich unseren damaligen Bundeskanzler als ständige Bewertungsinstanz mit mir
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