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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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ohne Regelbruch nicht denkbar. Schon wenn ich einem anderen zu lange in die Augen schaue, tue ich ja etwas, das man üblicherweise nicht macht – schließlich muss es meinem Gegenüber auch auffallen, dass ich mit ihm flirten will. Die Grenzen des anderen übertreten, das ist es, um was es beim Flirten und Verführen geht.
    Viele Männer und Frauen würden gerne besser verführen können, wollen aber den Preis dafür nicht zahlen. Nur wenige trauen sich, so wie vor 160 Jahren die Kaiserin Cíxi alles auf eine Karte zu setzen, wenn der Moment gekommen ist, den es zu nutzen gilt und der so schnell wieder verstrichen ist. Cíxi ging ein hohes Risiko ein, als sie sich den Gesetzen des kaiserlichen Hofes widersetzte. Und befolgte damit das wichtigste Prinzip beim Verführen: Wer starke Anziehung erzeugen will, muss auch riskieren, starke Ablehnung zu erfahren, wenn es schiefgeht.
    Erfolgreiche Verführer fürchten sich nicht vor Ablehnung, sie gehen davon aus, dass die Menschen für sie eine Ausnahme machen und ihnen mehr erlauben als anderen – und genau das macht sie so attraktiv. Und zwar attraktiver, als es ein schönes Gesicht, ein teures Auto oder ein gesichertes Einkommen vermögen.
    Das Risiko des Abgelehntwerdens muss jedoch bei vollem Bewusstsein eingegangen werden. Man darf seinen Regelbruch weder verschleiern noch abmildern, also zum Beispiel so tun, als habe man sich just in dem Moment, als der Kaiser einen rief, lediglich in den Falten seines Kleides verfangen. Auch eine Entschuldigung macht die provokante Tat zunichte, und eine hinterhergeschobene Rechtfertigung lässt einen nicht erfrischend unverschämt, sondern einfach nur unverschämt wirken.
     
Dreistigkeit, zu der man
nicht steht, erzeugt Mitleid.
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    Ein dazu passendes Erlebnis hatte ich einmal auf einer Party in einer Kunstgalerie in Berlin Mitte: Als ich ankam, war es bereits sehr voll, viele Leute tanzten, andere standen an der Bar. Da es mir aussichtslos erschien, meine Freunde, die ich hier treffen wollte, zu suchen, blieb ich in der Nähe des Eingangs stehen. Plötzlich kam ein Mann auf mich zu und sagte. »Ich bin gerade echt geil, und du gefällst mir sehr gut. Ich würde gerne mit dir schlafen. Kommst du mit mir nach draußen in den Hof?«
    Mich hat diese direkte Frage beeindruckt, denn der Mann kannte mich nicht und konnte daher nicht wissen, wie ich auf sein Ansinnen reagieren würde. Eine Menge Frauen hätte ihn beschimpft oder sich lauthals über seine Frechheit beschwert. Dass er Erfolg haben würde, war auch relativ unwahrscheinlich, denn er hatte sein Anliegen ja kein bisschen schön verpackt.
    Mir gefällt es allerdings, wenn man Fremden gegenüber direkt ist, schließlich gehen so viele Gelegenheiten ungenutzt vorüber, nur weil es in Deutschland als wichtiger erachtet wird, anderen Leuten nicht zu nahe zu treten, als unserer Sympathie oder unserer Begierde Ausdruck zu verleihen.
    Wer sich unter Freunden, Bekannten und Kollegen umhört, wird feststellen, dass sich sehr viele Paare heute über das Internet kennenlernen. Im Internet wird nämlich das Risiko des Zunahetretens deutlich reduziert, weil ja klar ist, weswegen man sich in dem jeweiligen Forum angemeldet hat.
    Dass es beim Flirten und Verführen darum geht, einen Partner zu finden, denken aber nur uninteressante Leute. Wer wirklich auf der Suche ist, ist per se schon unsexy und kann sich die Mühe sparen, sich in irgendwelchen Flirtseminaren mehr Sexappeal anzutrainieren.
    Ich muss nicht lernen, ein Risiko zu wagen, um bei der Partnersuche erfolgreicher zu sein. Das Risiko selbst ist es, was einem erfolgreichen Verführungskünstler Spaß macht. Wenn er dabei jemanden findet, der mit ihm Sex haben oder sein Leben mit ihm verbringen möchte, ist das ein willkommener Nebeneffekt.
    In meinen Seminaren wollen viele wissen, was sie sagen und tun können, um anziehender zu wirken. Wenn sie das dann ausreichend trainiert haben, möchten sie mit diesen Soft Skills in die Welt hinausgehen. Das ist klassische Risikominimierung. Damit lässt es sich durchaus gut und erfolgreich durchs Leben gehen, aber wirklich interessant wird es erst, wenn man das Risiko vergrößert und Dinge ausprobiert, die andere eben nicht machen.
     
Wer ein Risiko eingeht, ist sexy.
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    Ich bin zwar mit dem besagten Mann nicht nach draußen gegangen, aber nach der Begegnung mit ihm war meine Stimmung deutlich besser: Was musste das für eine tolle Party werden, bei der einem schon nach fünf Minuten

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