Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
sein, das Flapsige liegt ihnen oft nicht, dabei finden Männer das eher gut«, sagt Tornieporth. »Wenn es darauf ankommt, sind wir zu vorsichtig. Sich normal zu geben, ist ja schon im Alltag langweilig, aber auf einer Party ist es völlig unangebracht. Den meisten Erfolg haben wir, wenn wir erst überlegen, was man normalerweise in einer entsprechenden Situation sagt – und das dann auf keinen Fall sagt.«
Sie nennt auch gleich ein Beispiel: »Letztens war ich auf einer Party einer Freundin, und dort saß ein ziemlich gut aussehender Mann in der Küche. Natürlich gehe ich nicht auf ihn zu und sage ihm, dass ich ihn gerne kennenlernen möchte. Stattdessen habe ich ihn etwas ruppig gefragt, ob er überhaupt eingeladen sei, schließlich hatte ich ihn noch nie bei meiner Freundin gesehen. So ein Angriff reizt zum Widerspruch, nun muss der Mann sich erklären, ein kurzes Ja oder Nein genügt nicht.«
Als sie auf der letzten Berlinale einen prominenten Schauspieler traf, fiel ihr auf seiner schwarzen Umhängetasche ein blondes Haar auf. »Du hast da ja ein blondes Haar?«, spottete sie und zeigte darauf. Der Schauspieler reagiert sofort: »Schatz, was hast du denn da wieder gemacht?« Schon waren die beiden im Gespräch.
Smalltalkbücher mit Empfehlungen, was jemand in bestimmten Situationen, etwa im Fahrstuhl, in der Kaffeeküche, bei Messen und Premieren, zu Chefs, Kollegen, Prominenten und Bekannten sagen könnte, gibt es genug. Sie sind auch nicht gänzlich überflüssig, immerhin lassen sie sich gut dazu verwenden, nachzuschlagen, welche Gesprächseröffnung auf jeden Fall vermieden werden sollte.
Wie würde Tornieporth einen Kollegen, mit dem man gerne mittagessen gehen würde, ansprechen? »Ich würde ihn fragen: Wo gehst du hin? Und wenn er dann zum Beispiel antwortet, er hole sich nur am Imbiss ein belegtes Brötchen, würde ich sagen: Das ist aber ganz schön ungesund, iss doch lieber was Vernünftiges mit mir!«
Ihre direkte Aufforderung, kombiniert mit einer kleinen Kritik – Brötchen essen ist ungesund –, ist »reizend« genug, um das Interesse des Kollegen zu wecken. Außerdem signalisiert sie so, dass es ein Gewinn ist, wenn er mit ihr essen geht.
»Oder man geht noch einen Schritt weiter«, schlägt Tornieporth vor, »guckt ihn auffordernd an und fragt: Muss ich jetzt allein essen gehen, oder was?«
Pickup Artists, also Männer, die es zu ihrer Profession gemacht haben, Frauen zu verführen, setzen diese unschlagbare Kombination aus Kritik und Befehl gezielt ein, um Frauen in ihren Bann zu ziehen. Sie fürchten sich nicht davor, eine Frau anzusprechen, die das vielleicht gar nicht will, oder im Gespräch mit ihr ein Thema anzuschneiden, das sie eventuell nicht interessieren könnte. Im Gegenteil: Sie machen sich keinerlei Gedanken darüber. Und je schräger der erste Satz ist, den ich an einen Unbekannten richte, desto größer wird seine Neugier sein, mich kennenzulernen. Die Kontaktaufnahme zwischen Männern und Frauen folgt eben besonderen Regeln.
Als besonders wirkungsvoll in diesem Zusammenhang bezeichnen internationale Verführungskünstler wie zum Beispiel der amerikanische Flirtmeister Mystery zweifelhafte Komplimente wie »Deine Schuhe sehen aber bequem aus« oder »Ich mag dein Make-up«. Gut sind auch scheinbare Disqualifikationen wie »Du bist hübsch, aber leider nicht mein Typ«. Die menschliche Psyche funktioniert nämlich sehr einfach: Kaum erfährt jemand, dass er etwas nicht haben kann, wird dies erst recht interessant für ihn.
Auch mit den schon erwähnten Befehlen lässt es sich Frauen trefflich zu nahe treten. Eine unbekannte Frau aufzufordern: »Hol mir ein Glas Wein, und dann unterhalte mich!«, ist nicht gerade reizend, aber aufreizend. Denn mit einem Befehl wird eine Intimität hergestellt, die dem Sprecher – noch – nicht zusteht. Womit dieser wiederum demonstriert, dass er keine Angst vor Zurückweisungen hat.
Natürlich gelten für Männer und Frauen beim Flirten verschiedene Regeln, aber auch Frauen benehmen sich meistens nicht schlecht genug.
»Frauen können sich mehr leisten und auch mal etwas sagen, das bei Männern großspurig wirken kann«, meint Dietlind Tornieporth. »Je attraktiver der Mann, desto deutlicher darf ich austeilen. Ich kann beispielsweise seine Grobmotorik bemängeln, nachdem er sich versehentlich sein Bier über den Ärmel gekippt hat. Oder fragen, seit wie vielen Jahren er schon Deutsch lernt, wenn er sich etwas
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