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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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ungeschickt ausgedrückt hat. Sticheleien wecken seinen Sportsgeist. So wird der Flirt zu einer Herausforderung, und Männer lieben Herausforderungen. Und nebenbei kann ich mich damit abheben von all den anderen Schnecken, die verbissen jedem Date hinterherjagen.«
     
»Flapsigsein ist eine Lebenseinstellung.«
Dietlind Tornieporth
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    Ihrer Meinung nach ist flapsiges Verhalten aber nur wirkungsvoll, wenn es einer bestimmten Haltung entspringt. Deswegen vermittelt Dietlind Tornieporth auch in ihren Seminaren keine Gesten und Floskeln, sondern arbeitet mit den Frauen an der richtigen inneren Einstellung, welche diese von der Masse der »Ignorierten« in die Gruppe der wenigen »Umschwärmten« katapultieren soll.
    Damit es leichter fällt, frech aufzutreten, und auch authentischer wirkt, empfiehlt sie zum Beispiel, sich vor dem Ausgehen in eine ganze bestimmte Stimmung zu bringen, sich regelrecht aufzuputschen, etwa mit Musik. Diese Stimmung kann ruhig auch mal etwas Aufrührerisches haben. Schließlich ist eine Party ohne etwas Aufruhr keine Party und ein Abendessen ohne Spannungen nicht spannend.
    Zwei Künstler, die das perfekte Partyverhalten vorlebten, sind der Dichter Arthur Rimbaud und sein Freund und Förderer Paul Verlaine. Im Paris Mitte des 19. Jahrhunderts galten sie als die größten Schriftsteller Frankreichs. Die beiden verband nicht nur eine Amour fou, sondern auch eine deutliche Abneigung gegen die Etikette der feinen Gesellschaft. Um dieses Missfallen auszudrücken, mussten sie natürlich auf jeder wichtigen Party erscheinen, die in diesen Kreisen gegeben wurde. Vor den dort geladenen Gästen zogen sie dann sämtliche Register des schlechten Benehmens. Verlaine aß und trank exzessiv, tanzte auf den Tischen, erbrach sich in den Salons von Verlegern, Adeligen und Geschäftsleuten, nur um anschließend weiterzutrinken. Je betrunkener er wurde, desto bissiger wurden dann seine Bemerkungen über die anwesenden Männer und Frauen. Auch Arthur Rimbaud hielt mit, so gut er konnte. Nur im Beschimpfen war ihm sein um zehn Jahre älterer Geliebter weit überlegen. Ein Abend mit Verlaine endete gewöhnlich mit einer Ansprache des mitgenommenen Dichters, in der er lallend jedem Gast ein individuelles Psychogramm seiner Verkommenheit vortrug – Empörung unter den Gästen, wutentbranntes Verlassen des Salons, Ankündigung von gerichtlichen Nachspielen.
    Rimbaud und Verlaine hatten nach einem solch kräftezehrenden Abend jedoch kaum Zeit, sich zu erholen, denn ganz Paris riss sich damals darum, diese beiden Männer bei sich zu Gast zu haben: Eine Abendgesellschaft ohne Rimbaud und Verlaine war kein Erfolg. Leistete man einer Einladung eines Ministers oder hohen Offiziers Folge, und die beiden Dichter waren nicht anwesend, waren die Gäste enttäuscht und die Gastgeber untröstlich.
    Verlaine beendete seine Schimpftiraden oft mit der Drohung, allen sogenannten feinen Leuten, also den Mitgliedern der angeblich besseren Gesellschaft, einen Brief zu schreiben, sobald er Zeit hätte, und in diesem Brief wolle er ihnen sagen, was er wirklich von ihnen halte, denn das, was er jetzt gerade gesagt habe, sei nur der Anfang gewesen.
    Dieser Brief von Verlaine beschäftigte die Fantasie der Pariser Aristokratie sehr, und traf man sich zufällig im Konzert, im Kaffeehaus oder in einem Geschäft, so fragte man einander eifersüchtig: »Excusez-moi, Monsieur, verzeihen Sie meine Neugier – diesen schönen Brief von Verlaine, haben Sie ihn schon erhalten? Dürfte ich ihn wohl einmal lesen?«
    »Nein, leider nicht«, musste der Gefragte dann zugeben, denn dieser hundertfach angekündigte und von allen mit größter Spannung erwartete Brief wurde leider nie geschrieben. Nur Paul Verlaines Ausspruch »die sogenannten feinen Leute« ist geblieben.
     
    Arthur Rimbaud und Paul Verlaine haben damals in Paris gleich drei wesentliche Gesetze des richtigen Verführens befolgt. Sie verzichteten zum Beispiel auf die zu jener Zeit üblichen Gesprächseröffnungen, fragten ihren Tischnachbarn also nicht höflich nach dem Befinden der Mutter oder sprachen über die letzte Aufführung der Comédie Française, sondern setzten mit gezielten Beschimpfungen einen interessanten Kontrapunkt. Somit war ihnen die Aufmerksamkeit ihres Tischherrn oder ihrer Tischdame von Beginn an sicher. Eine brisante Gesprächseröffnung ist vor allen Dingen dann die richtige Wahl, wenn man es mit einem schwerfälligen und maulfaulen Gesprächspartner zu tun

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