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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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baten, ihn zum Abendessen begleiten zu dürfen, um ihm in persönlicherer Atmosphäre Fragen stellen zu können. Ich aber ging in den Flur und zog meine Schuhe an. Da kam der Meister zu mir und fragte: »Woher kommst du, ich habe dich hier noch nie gesehen.« Dann forderte er mich auf, ihn zum Essen zu begleiten, bei dem er sich, zum Ärger seiner Fans, den Rest des Abends nur mit mir unterhielt.
    Fazit unseres Gesprächs: Wer noch nicht erleuchtet ist, sollte lästern dürfen. Denn ein unterdrücktes Bedürfnis macht unfroher als ein ausgelebtes. Und wer froh ist, muss auch bald nicht mehr lästern.
Die Verbündungsstrategie
     
    Die einen behaupten, Gesetz und Moral auf ihrer Seite zu haben – na gut, wir aber verbünden uns mit Dritten. Natürlich ist diese Methode umso wirkungsvoller, je wichtiger diese Dritten für denjenigen sind, mit dem wir gerade streiten. Nichts macht so kleinlaut wie die Aussage »Stefan und Anne haben auch gesagt, dass du spinnst«.
    Diese Methode ist allerdings verpönt, denn wenn zwei streiten, kann es theoretisch sein, dass beide recht haben, doch wenn Stefan und Anne zu einer Seite halten (bzw. sich gerade nicht dagegen wehren können, von dieser Seite vereinnahmt zu werden), dann entsteht ein Ungleichgewicht, das der andere kaum wettmachen kann. Lahme Widerworte wie »Es ist mir egal, was Stefan und Anne über mich denken«, »Kannst du nicht für dich selbst sprechen« oder »Das ist eine ganz billige Methode« können wir getrost ignorieren. Schließlich ist es nicht unsere Schuld, wenn der andere sich keine geeignete Verstärkung holt.
    Und den Vertrauensbruch gegenüber Stefan und Anne brauchen wir auch nicht zu bereuen, denn in den seltensten Fällen wird der Streitpartner die beiden auf die zitierte Aussage hin ansprechen.
Die Beleidigungsstrategie
     
    Als Jugendliche musste ich oft von Ärzten hören, dass ich übermäßig nervös sei. Sie vermuteten dahinter eine Drogensucht oder Krankheit oder gar beides und schlugen regelmäßig vor, mich eingehend zu untersuchen. Lehnte ich das ab, schilderten mir die Ärzte ausführlich die schrecklichsten möglichen Ursachen für meine Nervosität. Eine typische Situation: In der scheinheiligen Maske des Helfers wird jemand zum Weinen gebracht.
    Auch heute gibt es noch solche Ärzte, die mich mit mitleidig-besorgter Miene fragen: »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, etwas gegen Ihre Nervosität zu tun?« Nur kann ich heute besser damit umgehen und antworte dann immer: »Ich bin halt nicht so dröge wie Sie.« Das wirkt meistens.
    Will uns jemand beurteilen oder herabsetzen, sollten wir so schnell wie möglich darauf reagieren: Eine gezielte Beleidigung verdirbt unserem Gegner jede Freude an seiner Herabsetzung. Wichtig ist allerdings, bei solchen Beleidigungen stets sehr freundlich zu bleiben, also quasi Scheinheiligkeit mit Scheinheiligkeit zu beantworten. Am besten lässt man einer solchen Beleidigung ein freundliches Lachen folgen.
    Oder man seufzt in gespielter Geduld wie Joschka Fischer, als er zu einem Spiegel -Reporter sagte: »Alles ist möglich, selbst dämliche Fragen wie Ihre.«
Die Wahrheitsstrategie
     
    Warum sagen wir eigentlich, dass wir keine Zeit haben, uns am Abend mit einem Freund zu treffen, obwohl der wahre Grund ist, dass wir einfach keine Lust mehr haben, das Haus zu verlassen?
     
    Der Journalist Jürgen Schmieder machte ein Experiment – statt zur Osterzeit zu fasten oder auf Alkohol oder Zigaretten zu verzichten, nahm er sich vor, 40 Tage lang nicht zu lügen. Dieser Vorsatz brachte ihm Prügel ein, hat beinahe seine Ehe ruiniert und ihn fast den Job gekostet.
    Er erkannte dabei, wie oft er sich sonst im Laufe eines Tages zurückhielt, etwas beschönigte, vortäuschte oder jemandem schmeichelte und wie erleichternd es war, das alles nicht mehr tun zu müssen.
    Es ist wunderbar, eine Beleidigung in dem Moment auszusprechen, in dem sie einem durch den Kopf geht. Befriedigend, einem herablassenden Kollegen mit »Du Penner« zu begegnen, längst überfällig, einem Freund zu sagen, dass seine Freundin ihn betrügt und damit gleichzeitig einen ganzen Bekanntenkreis davon zu erlösen, diesen Umstand zu verschweigen.
    Ehrlich zu sein in all den Fällen, in denen normalerweise eine Lüge erwartet wird, bringt sicherlich einige Aufregung in den Alltag, aber auch viel mehr Lebensfreude. Es ist doch zum Beispiel viel einfacher, eine Verabredung mit der ehrlichen Begründung abzusagen, dass man keine Lust

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