Nette Nachbarn
Auffahrt parke. Großer
Gott, es ist nicht einmal mehr irgend etwas zu essen im Kühlschrank!«
Hank lächelte leicht. »Ich kann sehen,
daß das für jemanden mit deinen Kochfähigkeiten ein echtes Problem darstellt.«
»Hank, darum geht es gar nicht, und das
weißt du! Das sind keine Menschen mehr hier! Es gibt kein Leben !
Etwas Schlimmes geschieht mit All Souls, und ich habe ein Recht, etwas darüber
zu erfahren.«
Er nahm die Brille ab und fing wieder
an, die Gläser zu putzen. Scheinbar hatte er vergessen, daß er diese
zeitraubende Tätigkeit gerade erst beendet hatte. Nachdem ich ihn ungefähr
fünfzehn Sekunden lang beobachtet hatte, stand ich auf, langte über den Tisch
und riß ihm die Brille aus der Hand. Er starrte mich an, versuchte dann, sie
zurückzunehmen. Ich zog mich so weit zurück, daß er die Brille nicht erreichen
konnte.
»Himmel noch mal, was ist denn in dich
gefahren?« fragte er.
»Ich will darüber reden, was hier
vorgeht.«
»Das weiß ich. Aber wie soll ich mit
dir reden, wenn ich dich kaum sehen kann?«
»Ich gebe dir deine Brille unter einer
Bedingung zurück — du setzt sie auf deine Nase, wo sie hingehört, und hörst
endlich damit auf, sie als eine Möglichkeit einzusetzen, dem Gespräch aus dem
Weg zu gehen.«
Er seufzte und streckte die Hand aus.
Ich gab ihm die Brille und kehrte zu
meinem Stuhl zurück. »Also...«, fing ich an.
Hank beugte sich vor. Er verschränkte
die kräftigen, schmalen Hände vor sich auf einem Stapel Unterlagen. Er setzte
zum Sprechen an, zögerte, sagte dann: »Ich weiß nicht, wie lange es All Souls
noch geben wird.«
Ich fuhr zusammen. Dann lehnte ich mich
erschüttert zurück. Ich hatte etwas Schlimmes erwartet — aber nichts so
Endgültiges wie das hier.
»Wir haben unter den Partnern zwei
Cliquen entwickelt«, fuhr er fort. »Da sind die neueren Leute, die in den
letzten paar Jahren dazu gekommen sind. Und dann sind da die alten wie ich, die
das Büro gegründet haben.«
Ich wollte ihn schon daran erinnern,
daß er allein All Souls gegründet hatte, hielt mich dann aber zurück. Es war
typisch für ihn, es den anderen zugute zu halten, die ihn in diesen ersten
harten Jahren moralisch — und oft auch finanziell — unterstützt hatten.
»Die neuen Leute«, fuhr Hank fort,
»wollen All Souls in eine andere Richtung treiben, wollen das, was sie als
unser ›Sechziger-Jahre-Image‹ bezeichnen, loswerden. Wir anderen sind bereit,
ein paar Veränderungen vorzunehmen, aber nicht alle, auf denen sie bestehen.«
»Was wollen sie für Veränderungen
vornehmen?«
»Sie wollen die gleitende
Gebührenordnung abschaffen. Wollen unseren Anwälten konkurrenzfähige Gehälter
zahlen. Wollen die Büros in eine bessere Gegend verlegen. Ein paar von ihnen
finden sogar, daß der Name altmodisch ist.«
»Aber das würde ja bedeuten, daß alles geändert würde!«
»Ich weiß.« Er machte eine müde
Handbewegung.
»Schön, und wozu seid Ihr nun
bereit?«
»Nun, ich glaube, wir sollten das
Gebäude aufmotzen, schönere Büroräume schaffen. Aber ich kann mich nicht an den
Gedanken gewöhnen, in die Innenstadt oder in eines der modernen Bürogebäude in
Daly City zu ziehen — wie es vorgeschlagen wurde. Wir haben uns hier in Bernal
Heights niedergelassen, weil es günstig für unsere Klienten war. Viele von
ihnen wohnen in der Nähe; viele sind so arm, daß sie keinen Wagen besitzen, und
zu beschäftigt, um die lange Fahrt ins Zentrum mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln zu machen. Verdammt will ich sein, wenn ich es für sie noch
schwieriger machen würde, uns zu erreichen.«
Zwei hektische rote Flecken waren auf Hanks
Wangen erschienen. Ich nahm sie als positives Zeichen.
»Was die Abschaffung der gleitenden
Gebühren betrifft«, fuhr er fort, »so ist das untragbar. Diese Cooperative
wurde auf dem Prinzip aufgebaut, guten, billigen Rechtsschutz für die Menschen
zu bieten, die sich juristische Dienste sonst nicht leisten könnten. Sie zahlen
ihrem Einkommen entsprechend; wenn man das abschaffen würde, gäbe es keinen
Grund mehr für uns zu existieren. Ich sage gar nicht, daß ich nicht auch für
eine Gebührenerhöhung wäre — das ist nur vernünftig, wenn man bedenkt, wie
unsere Unkosten gestiegen sind. Und ich bin auch bereit, das Budget zu
strecken, um höhere Gehälter und bessere Beihilfen zu erreichen. Schließlich
müssen wir ja auch leben.«
Hank brach ab. Offensichtlich hatte er
gemerkt, wie laut er geworden war. Dann sprach er
Weitere Kostenlose Bücher