Netzwerk des Boesen
ließ seine Zigarette in eine halb volle Kaffeetasse fallen, die neben Selim auf dem Schreibtisch stand. »Sprich deine Gebete, mein Sohn, du wirst sie brauchen. Ach ja, und viel Glück mit Allahs Zorn.«
Das war ein riskanter Vorstoß, doch der Schock auf Se lims Gesicht war nicht zu übersehen.
Dillon verließ die Moschee und blieb draußen auf dem Gehsteig kurz stehen, schaute sich um. Greta Novikova schoss gerade ein Foto und war mehr als überrascht, als er blitzschnell die Straße überquerte, die Beifahrertür öffne te und zu ihr in den Opel stieg.
»Was soll das …«, begann sie empört.
»Ach komm, Mädchen, sparen Sie sich die Ansage. Ich weiß, wer Sie sind, und Sie wissen, wer ich bin.« Er zog ein Päckchen Marlboro aus der Tasche und klopfte zwei Zigarette heraus. »Ich wette, Sie rauchen. Die meisten Russen frönen diesem Laster.«
»Dreckskerl«, zischte sie, wirkte dabei aber ein wenig amüsiert.
Dillon zündete die beiden Zigaretten an und reichte ihr eine. »Fahren wir.«
»Fahren? Wohin?«
»Ich wohne in Stable Mews. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie das nicht wüssten.«
Mit dem Ansatz eines Lächelns fuhr sie los. »Ich wette, Selim hat sich da drinnen in die Hosen gemacht.«
»Ja, könnte man so sagen. Ich habe ihm auf den Kopf zugesagt, dass wir über Ashimov und Sie und diverse an dere Bescheid wissen. Vielleicht auch über Ashimovs Boss, den geheimnisvollen Josef Belov.«
»Sie spielen mit dem Feuer, Dillon«, erwiderte sie. »Ich an Ihrer Stelle wäre da etwas vorsichtig.«
»Keine Sorge, das bin ich immer.«
Am Ende der Stable Mews blieb sie stehen. »Kann ich jetzt weiterfahren?«
»Selbstverständlich – außer Sie möchten mit mir zu Abend essen.«
»Der berühmte Sean Dillon hat eine romantische Ader? Das möchte ich doch bezweifeln. Außerdem ist es heute Abend etwas ungünstig. Die russische Botschaft gibt ei nen Empfang im Dorchester.«
Dillon stieg aus und beugte sich durchs Fenster: »Ach, ich bin sicher, dass man mich dort einlassen wird.«
Sie fuhr zur Botschaft zurück, dachte dabei über diesen seltsamen Mann nach und rief dann Ashimov an, um ihm zu berichten, was vorgefallen war. »Ich habe so eine ver rückte Ahnung, dass Dillon heute Abend im Dorchester auftauchen könnte.«
»Mir scheint, er will sich mit uns anlegen. Gut, soll er ruhig, wir schlagen zurück. Ich begleite dich. Hol mich um sieben ab.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, fuhr sie ihren Computer hoch, klickte sich in ihre geheimen GRU-Dateien ein, fand Dillon und war sprachlos, was sie dort entdeckte. Das war der Mann, der 1991 für den verhängnisvollen Bombenanschlag auf die Downing Street verantwortlich war? Viele Jahre lang ein gefürchteter IRA-Aktivist, ein Killer, der etliche Menschen auf dem Gewissen hat … und ehemals Schauspieler am National Theatre, wie sie fasziniert las.
»Ich habe Selim das Fürchten gelehrt«, berichtete Dillon Ferguson am Telefon.
»Das habe ich mir fast gedacht. Wie lautet Ihr Urteil?«
»Nun, er hat nichts abgestritten – die Verbindung zu Morgan, Ashimov, der Novikova und der ganzen Ban de.«
»Nein, das hätte ich ihm auch nicht zugetraut. Ach, übrigens, Blake hat sich gemeldet. Er hat alle Unterlagen über muslimische Aktivitäten in Großbritannien, die ich ihm gegeben habe, mitgenommen und ist schnurstracks nach Washington zurückgeflogen.«
»Schade. Ich hatte gehofft, er würde mich heute Abend ins Dorchester begleiten. Die russische Botschaft gibt dort im Ballsaal einen Empfang. Besorgen Sie mir einen Si cherheitsausweis, Charles. Die Novikova wird dort sein. Vielleicht lässt sich auch Ashimov sehen? Das möchte ich nicht verpassen.«
»Nur, wenn Sie mich mitnehmen, Sie Gauner. Wir ge hen zusammen.«
»Cocktail um sieben, Charles, kein schwarzer Schlips. Die Botschaft versucht, Freunde zu gewinnen und Leute zu beeinflussen – und es erwarten uns ein oder zwei Über raschungsgäste, wie ich gehört habe.«
»Spielen Sie da auf die Tatsache an, dass Putin nach Ende der EU-Konferenz in Paris heute Vormittag spon tan beschlossen hat, sein Flugzeug nach Northolt umzu dirigieren, um heute Nachmittag eine Weile mit dem Premierminister zu plaudern?«
»Und woher wissen Sie das?«
»Weil ich über seinen Flugplan von Northolt nach Moskau informiert worden bin. Dafür werde ich nämlich bezahlt, mein lieber
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