Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
Vom Netzwerk:
etwas Teil 1
    Mitten im Schreiben entdeckte ich, dass ich mein eigenes Leben und meine persönlichen Erfahrungen nicht von dieser Geschichte trennen konnte. Wenn Hannah über ihr Gewicht und das passende Rendezvous-Outfit nachdachte, beschrieb ich Bettina. Ganz eindeutig. Ich hatte gedacht, man schreibt doch nur, was man schreiben will. Falsch! Meine Messias entwickelte sich zu einer Figur, die mir sehr vertraut war. Hannah war Bettina. Nicht auf den ersten Blick und auch nicht für jeden erkennbar, aber sie war es. Und je klarer mir dies wurde, umso weniger beängstigend erschien es mir.
    Hannah sah ja nicht aus wie Bettina. Meine Frau hatte Pölsterchen, aber kein Fett. Und wenn ich bei Hannah die kleinen Hautdellen entdeckte, dann waren es keine, die ich von Bettina kannte. Die kleine Delle an ihrem Oberschenkel war für mich gar nicht der Rede wert. Für sie schon. Bettina kämpfte auf einem Hometrainer seit Jahren dagegen an. Vergeblich. Mir gefiel der Hometrainer. Ich mochte es, wenn sie leicht verschwitzt nach 10 Standkilometern abstieg und ich sie trösten durfte.
    »Ist es besser geworden?«
    »Es war nie schlimm, mein Schatz!«
    Ich liebte alles an ihr, und jetzt begann ich über sie zu schreiben. Vielleicht war es mir von Anfang an klar, und irgendein Mechanismus in meinem Inneren hatte die Erkenntnis verhindert und bis zu diesem Tag hinausgezögert. Jetzt war es aber raus. Warum ich Hannah einen Mann suchen ließ und ihr diese unglaubliche Sehnsucht nach ein bisschen Glück zuschrieb, hatte auf den ersten Blick nichts mit Bettina zu tun. Sie hatte ja mich. Aber sie hatte auch eine Sehnsucht nach mehr. Nicht nach mehr Männern, aber nach einem diffusen Mehr von mir. Der Wunsch, ein Kind zu bekommen, mag diese Sehnsucht befeuert haben, doch dieser Wunsch hatte im Lauf der Jahre nachgelassen. Im Augenblick stand bei Bettina der Wunsch nach Karriere im Vordergrund. Dafür tat sie viel, und ich unterstützte sie dabei. Aber bei jedem Vorstoß bekam sie den passenden Dämpfer, und ich ahnte, dass es irgendwann zu einem Knall kommen musste.
    DIE MESSIAS Folge 4
    Die Internetchatterei hat sich zu einer Sucht ausgeweitet, die ich seit vierzehn Tagen mit Tonnen von Chips und lauwarmer Cola begleite, was sowohl meiner Haut als auch meinem Gewicht eher weniger gut tut. Verflucht seien die Erfinder von kalorienbeschleunigtem Fastfood, BMI und Waagen mit Fettanzeige.
    Eigentlich wollte ich längst schlafen, doch da steht auf einmal Sven auf dem Bildschirm, als winziges Icon.
    Hallo!
    Ich schaue auf Svens Profil und entdecke nichts. Keine Angaben zu Hobbys, Familienstand, Kampfgewicht und Lebensmotto. Nichts. Noch nicht mal die üblichen Lügen. Da steht nur eine Postleitzahl, und das ist rein zufällig die gleiche wie meine. Ich zögere, tippe aber dann die obligatorische Antwort ein. Nicht einfallsreich und schon gar nicht originell, aber das war Sven ja auch nicht.
    Hallo!
    Auch noch wach?
    Nein, ich schlafe
    Lustig
    Findest du?
    Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz nach 11 , und ich frage mich, was Sven um diese Zeit vor dem Bildschirm macht und nicht in der Stadt oder sonst wo. Und bevor ich mir mit beliebigem Geplänkel den Rest der Nacht um die Ohren haue, beschließe ich, Sven eine Frage zu stellen, damit ich weiß, ob es sich lohnt, wach zu bleiben.
    Wie einsam bist du?
    Und du?
    Ich habe dich etwas gefragt
    Ich auch
    Ich zuerst
    Na und?
    Er ist frech, aber er macht mich neugierig. Sven hält mich wach, und ich fahre fort.
    Ja
    Wie, ja?
    Ich bin einsam
    Ich weiß
    Und du
    Das weißt du doch
    Stimmt
    Nach diversen virtuellen Treffen mit Schwachköpfen aller Art scheint mir hier endlich mal ein Mensch gegenüberzusitzen, der geheimnisvoll genug ist, um mein Interesse zu wecken. Während meine Hand für gewöhnlich im Sekundentakt in die Chipstüte greift, bleibt sie jetzt auf der Tastatur liegen, weil sie es kaum abwarten kann, zu reagieren. Aber Sven lässt sich Zeit. Ob er mit mehreren Frauen gleichzeitig chattet? Ich kann es nicht herausfinden. Ich weiß nur, dass alles, was er bislang geschrieben hat, wahr ist, auch wenn es eigentlich noch keine rechte Möglichkeit zu einer richtig guten Männerlüge gab.
    Sven?
    Ja
    Dachte, du wärst weg
    Nein, das hast du nicht gedacht
    Was habe ich denn gedacht
    Dass ich mit anderen Frauen chatte
    Woher weiß der das? Ist er ein Hellseher? Nein, das geht nicht. Ich bin die mit den besonderen Fähigkeiten. Blödsinn, kein Grund zur Panik, das sind Taschenspielertricks. Sven

Weitere Kostenlose Bücher