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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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Hochsitz erschossen wird. Bayerische Landschaftsmalerei halt. Zu bunt, zu falsch, zu beliebig. Und ich mittendrin. Aber vielleicht liegt in diesem ganzen Klischee der Schlüssel zum Glück. So viel heile Welt muss doch einen wahrhaftigen Ursprung haben.
    Nun bin ich hier, mit verheulten Augen und einer jämmerlichen Fernbedienung in der Hand, meiner elektronischen Verbindung zum Leben da draußen. Zum x-ten Male bin ich enttäuscht worden. Aus einer gigantischen Fallhöhe zur Erde geschossen. Ein emotionaler Bungeesprung ohne Seil. Was übrig bleibt, ist zur grausamen Routine geworden, ein klägliches Häufchen ungeliebter Mensch, allein und so voller Sehnsüchte, dass selbst die Passagiere der Mayflower beim ersten Anblick Amerikas mir nicht das Wasser hätten reichen können.
    Auf dem kleinen Fernsehmonitor versucht ein unbeholfener Moderator, eine Struktur in seine Talkshow zu bekommen, was ihm schon bei seiner Kleiderauswahl nicht gelungen ist. Die knallgelben Socken passen weder zu seiner pinkfarbenen Krawatte noch zu dem klärschlammbraunen Oberhemd, bestenfalls vielleicht noch zu seinen senfgelben Schneidezähnen. Eine der bekanntesten Frauenrechtlerinnen des Landes, vielleicht der Welt, beschwört die Runde, doch endlich zu akzeptieren, dass die Rolle der Frau sich verändert hat, und zwar zum Positiven. Jetzt richte ich mich auf. Was bitte schön hat sich denn positiv verändert? Hier fragt der Gegenentwurf mit über 2000  Jahren Gegen-Erfahrung. Ungeliebt und unsterblich, von Gottes Gnaden ausgestattet mit dem perfekten Wahrheitssensor und geladen wie eine Pershingrakete im Kalten Krieg.
    »Wir sind in den entscheidenden Positionen der Macht. Wir stellen Regierungschefs. Wir sind in den globalen Schaltzentralen, und damit meine ich ganz bestimmt nicht die Kaffeemaschinen im Sekretariat einer mittelständischen Softwareschmiede! Meine lieben Männer, wir Frauen sind angekommen. Und wir werden bleiben, nehmt das gefälligst zur Kenntnis. Wir sind die Macht!«
    »Ein Scheiß sind wir«, schreie ich den Fernseher an, »eure sogenannte Emanzipation ist eine Scheißbehauptung, eine Illusion! Eine semantische Ersatzbefriedigung!«
    Gut, vielleicht drücke ich mich nicht so klar und präzise aus, aber in die Richtung geht es auf jeden Fall. Und jetzt klopft es an die Tür.
    »Jaha!«, brülle ich mit halber Kraft in die Richtung, aus der das Klopfen kam.
    »Zimmerservice!« Die Stimme ist leise, aber nicht unsympathisch.
    »Bitte!«, raunze ich.
    Langsam, ganz langsam öffnet sich die Tür, und das Zimmermädchen steckt sein kleines Köpfchen ins Zimmer.
    »Grüß Gott!«
    Na super, Grüß Gott, mach ich.
    »Ich bin die Resi.«
    Und ich bin ... ich schweige, sie wird es eh nicht glauben.
    Resi trägt ein Dirndl, das ihr weder steht noch von ihr getragen werden will. Sie wirkt wie ein Rentner, der sich von seinem Enkel stylische Hiphop-Klamotten geliehen hat, oder eine Angestellte der Deutschen Bahn, die von ihrem Dienstherrn verpflichtet wurde, eine Uniform zu tragen, die eher Wasserhydranten steht als unschuldigen Zugbegleiterinnen. Ihre Augen blitzen klar und freundlich. Ihre Lippen sind schmal und ein wenig verkniffen, wie bei Menschen, die zu schnell gelernt haben, dass es manchmal besser ist zu schweigen, als die richtigen Fragen zu stellen. Ihren Kopf hält sie ein wenig schief, sie muss schon oft nicht nur den Tücken des Lebens ausgewichen sein.
    »Ich möcht’ gerne die Stube richten!«
    Die Stube? Klar, was sonst.
    »Wenn’s passt?«
    Mir wird schlagartig klar, dass diese Talkshow im Fernseher nicht live ist und ich offensichtlich die ganze Nacht durchgezappt habe. Hier läuft die Wiederholung.
    »Ähm, ich ... oh Mann ... ich ... puh ...«
    »Ich kann auch später wiederkommen ...«, rudert Resi zurück.
    Sie ist tatsächlich schon im Rückzug begriffen, als ich ihr ein Zeichen gebe, sich zu mir zu setzen, um mit mir gemeinsam diese Ungeheuerlichkeit im Fernsehen zu verfolgen. Das junge Ding zögert, was ich gut verstehen kann, aber es gibt bei mir einen Blick, dem jeder Folge leistet. Außer Männern.
    Ganz still sitzt sie nun neben mir auf dem Bett und wagt es nicht, sich zu rühren. In der einen Hand den Universalschlüssel zu allen Räumen der Pension, und in der anderen hält sie noch immer einen Eimer mit allerlei Putzutensilien. Ich zaubere indes aus der konsequent idiotisch verzierten Bauernschrankminibar zwei Piccolosektchen heraus und gieße uns ein.
    »Heute ist dein Tag«, erkläre

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