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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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war nie auf der Suche nach einem Abenteuer, ich war schon romantisch veranlagt, bevor es die Romantik überhaupt gab. Den Mann, den ich suchte, wollte ich fürs Leben. Einen Partner wollte ich. Einen auf Augenhöhe. Aber den gab es einfach nicht. Hannibal (ja, der Hannibal!), dem ich quer über die Alpen gefolgt bin und der sich in dem Moment maximaler Nähe für einen dämlichen Elefanten entschied, war ein Reinfall. Oder Dr.Ole Petersen, der völlig durchgeknallte deutsch-afrikanische Buscharzt, den ich kurz vor dem Ersten Weltkrieg bei einem Malaria-Prophylaxeseminar in Kapstadt kennenlernte. Auch kein Treffer. Kurz nachdem er sich endlich darüber klar wurde, mich lieben zu müssen, raffte ihn eine Krankheit dahin. Malaria, ausgerechnet. Nie hat es geklappt, weder mit Ole dem Starken, Muschaff, dem Hirten aus Somalia, Peter und Hans-Rüdiger aus Winsen an der Luhe, Arif aus Fındıkçık, Pentalot aus ... – Mist vergessen –, Uruh Uruh aus Neuseeland, Marcus aus dem alten Rom, Gerd aus Bad Westernkotten und Plato (jaha, der Plato) aus Griechenland und auch mit vielen anderen nicht, die ich quer durch die Epochen wenigstens kennenlernen durfte. Der eine hatte dies, der andere wollte das. Manche Männer gaben sich die Mühe, sich für mich zu interessieren, andere interessierten sich lieber gleich nur für das eine. Gut, es gab auch die, die sich nie für das Eine interessierten, sondern nur für meine Kochkünste, die aber bis heute nur unwesentlich raffinierter sind als die einer Amöbe. Es gab Harte, Weiche, Blonde, Schwarze, Linkshänder, Rechtshänder, Beamte, Senatoren, Galeerenkapitäne und Vorstopper eines Fußballkreisligavereines mit Kunstrasen, mit Bart, ohne Bart, dick, dünn, doof und schlau, das komplette Programm. Von Liebe aber war bei allen nie die Rede. Nie! Und die Liebe, mal ganz ehrlich, das ist doch die Grundvoraussetzung, davon lasse ich mich auch nicht abbringen. So wie man bestimmte Fehler wieder und wieder wiederholt, weil man fest davon überzeugt ist, dass sich irgendwann einmal dieser eine Fehler als das einzig Wahre herausstellt.
    Der Bayerische Wald war ein solcher Fehler, den ich nun wiederholen will.
    Bei meinem ersten Besuch in diesem Teil des Landes hatte ich es gewagt, mich und meine Herkunft zu offenbaren. Ich stand zu mir, als Tochter Gottes. Ein aufgebrachter Dorfmob und ein Vikar der Nachbargemeinde, dessen Eltern ihn in Unkenntnis hübscher Namen Filobert getauft hatten, trieben mich in die Wälder, die mir bei Temperaturen unter null zwar den Hauch von Schutz, aber keinerlei Wärme spendeten. Meine Verfolger hatten sich von mir einiges versprochen. Ein kleines Wunder, ein bisschen Wohlstand oder wenigstens Gesundheit, irgendwas, was den Fähigkeiten eines Mitgliedes der göttlichen Familie wenigstens einigermaßen gerecht werden sollte. Wenn man wie die Meggendorfer nicht unerhebliche Bevölkerungsverluste einerseits durch den Dreißigjährigen Krieg und andererseits durch die Pest zu erleiden hatte, mal abgesehen von dem Wunsch, sich auch noch für Familienmitglieder und Blutsverwandte mehr als nur zu interessieren, wuchsen die Anforderungen an die Fähigkeiten einer Tochter Gottes ins Uferlose. Alles aber, was ich den Menschen geben konnte, war die Wahrheit, und die wollte keiner von mir hören. Damals hatte ich mir vorgenommen, nie wieder öffentlich zu erklären, dass ich die Tochter Gottes sei; nach über 36 Beinahescheiterhaufen, unzähligen Kerker oder Psychiatrieaufenthalten und einem wirklich ernstzunehmenden Angebot, zur Ikone einer neu gegründeten Designersekte in Aserbaidschan aufsteigen zu können, erlosch mein Bekenntnis zu meiner Herkunft wie eine Kerze im Herbststurm.
    Nun liege ich auf einem idiotischen Bauernbett mit Herzchenschnitzereien, in einem noch idiotischeren Bauernzimmer, das auf den nahezu sinn- und witzfreien Namen Spatzenstuberl getauft worden ist. In der Schublade liegt zu meiner Überraschung keine Bibel, sondern das Telefonbuch von Meggendorf. Möglicherweise ist das ein versteckter Hinweis auf die fehlende Religiosität der Pensionswirtin Frau Nadlhuber. Wahrscheinlich entspricht das Buch aber nur der Erkenntnis, dass die Gäste in diesen Zeiten eher nach einer Telefonnummer suchen als nach trostspendenden Bibelversen. Über meinem Bett hängt ... – genau, und zu meiner Rechten ein kitschig goldgerahmtes Bild von einem Reh, das zwei Sekunden nach seiner Porträtierung garantiert durch einen Jäger auf einem leicht stilisierten

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