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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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geäußert?«
    »Ja, heute Morgen noch, sie war mit eine der Ersten, die heute angerufen hat. Haben Sie denn nicht darüber gesprochen?«
    »Doch.« Sünde! »Nein, haben wir nicht.« Diesmal sagte ich die Wahrheit, und ich bereute zutiefst, Bettina weggedrückt zu haben. Sie wollte mich warnen. Oder wenigstens informieren. Oder beides. Dachte ich zumindest.
    Mit einem Mal rutschte ich tiefer in das Sofa. Eine unfreiwillige Abwandlung der klassischen Büßerhaltung. Ich hätte mich am liebsten komplett hinter dem Sofa versteckt.
    »Und nun?« Pfarrer Nordermanns Stimme bekam etwas sehr Sanftes, was sie aber für mich nicht weniger bedrohlich machte. Tiefer rutschen ging nicht mehr. Ich lag schon mehr, als ich saß.
    »Ich weiß nicht, schwieriges Thema, ich kann Ihnen aber versichern, dass ich nur am Rande die Verantwortung übernehmen kann, also als lokaler Vertreter. Die grundsätzlichen Entscheidungen, also auch in diesem Fall, die werden ja nicht von mir ... die werden ja ... also ...«
    »Ja, ich verstehe Sie schon, aber in diesem Fall hätte ich eigentlich erwartet, dass da von Ihnen mehr kommt.«
    »Was soll ich denn machen? Mir sind da die Hände gebunden!« Wenn sie es mal wären, dann hätte ich nie so etwas wie die
Messias
geschrieben, dann säße ich jetzt auch nicht hier in halber Liegestellung und wäre es mir auch egal, was Pfarrer Nordermann über mich denkt und was er von mir erwartet. Obwohl – Blödsinn. Es gibt nichts zu bereuen, nichts zu entschuldigen. Ein Autor, der nicht zu seiner Geschichte steht, wo gibt’s denn so was?
    Hier, auf einem schwedischen Sofa!
    »Herr Litten, lassen Sie uns doch ehrlich sein, es muss doch einen triftigen Grund dafür geben, warum Sie nicht im Festausschuss für das Pfarrfest arbeiten wollen, Ihre Frau ist doch ganz begeistert bei der Sache.«
    »Pfarrfest?«
    Mit einem Mal verstand ich.
    »Das Pokalspiel kann ja nun nicht mehr der Grund sein, das ist doch meines Wissens eine Woche später.«
    »Das Pokalspiel?«
    »Kein Problem, Herr Litten, ich weiß doch, wie das ist, wenn man Fan ist.«
    »Das stimmt, das Spiel ... das ist eine Woche später«, erwiderte ich kleinlaut.
    Es ging um das Pfarrfest. Natürlich, was sonst, das Pfarrfest. Pfarrer Nordermann hatte mich vor Wochen schon gefragt, ob ich mich an der Organisation beteiligen könne, und ich hatte ihn hingehalten, weil ich nicht wusste, ob das Pokalendspiel nicht zufälligerweise an genau diesem Termin stattfinden würde. Das Spiel war längst terminiert. Es war eine Woche nach dem Pfarrfest, was sogar Pfarrer Nordermann wusste. Und ich hätte längst zusagen müssen. Jetzt hatte ich den Salat. Mein Herz war mir in die Hose gerutscht und lag nun auf gleicher Höhe mit den Pfarrnachrichten.
    »Geht es Ihnen nicht gut, Herr Litten?«
    »Doch, doch. Gut. Mir geht’s gut!«
    »Kann ich Sie denn nicht vielleicht doch überreden? Ein Mann mit Ihren Fähigkeiten wäre wirklich eine Bereicherung für den Festausschuss.«
    »Na gut, überredet. Wenn meine Frau auch dabei ist, da kann ich sie ja nicht alleine lassen.«
    »Mich?«
    »Meine Frau.«
    »Natürlich, wen sonst?«
    »Sie sagen es, tja, dann ...«
    »Tja, dann...«
    Pfarrer Nordermann gab mir die Hand. Ich hatte einen Menschen glücklich gemacht. Wenigstens einen.
    »Ich tippe übrigens zwei zu null, Herr Litten. Für Schalke!« Pfarrer Nordermann lächelte vielsagend, als wüsste er mehr.
    Ich lächelte nicht.

Ich, Masuch, Bettina und ein Grauer Engel
    Der Rest des Tages in der Redaktion hatte deutliche Spuren hinterlassen. Mit einem Hefeweizen ließen sie sich kaum verwischen. Nach einem zweiten ging es schon deutlich besser. Vor dem dritten Hefeweizen, der finalen Erleichterung, hörte ich das Rascheln an der Haustür. Bettina kehrte zurück. Unzurückgerufen und wahrscheinlich stinksauer. Ich hatte alle Rückrufe des Tages erledigt. Beim Sankt-Maria-Krankenhaus wollte man sich nur offiziell beschweren, weil eine der Grauen Engel, Frau Minkmar, nach der Lektüre meiner
Messias
mehr bewegen wollte als nur noch Bettpfannen. Ich reichte die Beschwerde weiter. Masuch, den ich nur sehr schwer mit Günter ansprechen konnte, schickte fernmündlich Flutwellenstarke Lobeshymnen aus, in denen ich fast zu ertrinken drohte. Die
Messias
spaltete die Leserschaft nun noch mehr und flächendeckender in begeisterte Fans, überwiegend Frauen, und wutentbrannte Hasser, überwiegend Männer, oder Frauen, die von Männern instrumentalisiert worden waren. Die Auflage

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