Neu-Erscheinung
Rosamunde-Pilcher-Roman verbrannt. Absichtlich, weil meine Mutter ihn als Treueband eines Buchclubs bestellt hatte, statt sich meinem Vorschlag zu beugen, den nagelneuen
Star-Wars
-Kalender zu nehmen. Sünde! Aber sollte ich allen Ernstes all das einem jungen Pfarrer erzählen? Nein! Sünde! Egal!
Außerdem hatte ich in der Bundesliga-Saison 2000 / 2001 den lieben Gott gebeten, Schalke 04 gegen Borussia Dortmund verlieren zu lassen. Haushoch, wenn es geht, und mit drei roten Karten für die Blauen. Zwei wären auch okay gewesen. Aber Gott hatte irgendwie nicht richtig zugehört. Schalke gewann 4 : 0 in unserem Westfalenstadion, das damals wirklich noch wie ein Stadion hieß und nicht wie ein Versicherungstempel mit Fankurven und der schönsten Südtribüne der ganzen Welt.
Bei der Beichte sagte Pfarrer Nordermann, der damals natürlich noch sehr jung war, erst eine Zeitlang nichts und dann den alles entscheidenden Satz: »Wenn der liebe Gott Schalke gewinnen lässt, dann ist das keine Sünde!«
Was sollte das denn, war Gott ein Schalker, oder was? Ich habe damals einfach nicht verstanden, was Pfarrer Nordermann mir damit sagen wollte, ich hatte doch nicht den lieben Gott einer Sünde bezichtigt, sondern mich. Aber Pfarrer haben immer recht, vor allem, wenn man so jung ist, wie ich es damals war. Eine Sünde hatte ich seiner Ansicht nach jedenfalls nicht begangen, wurde aber dennoch mit einem Vaterunser-Gebetsauftrag nach draußen geschickt. Nicht als Strafe, sondern rein prophylaktisch, für alle Fälle. Ich habe seitdem nie wieder um einen Sieg meiner Borussia zu Gott gebetet. Es hätte auch nichts genutzt. Die Borussia verlor, und die Borussia gewann, mit und ohne Gott. Aber wenn sie in den darauf folgenden Jahren gegen Schalke verlor, das war: SÜNDE !
Pfarrer Nordermann erwartete mich im Türrahmen seines 50 er-Jahre-Pfarrheims. Er schien gewusst zu haben, dass ich komme, woher auch immer. Mein Handy bimmelte, Bettina. Ich musste sie wegdrücken, nicht gerne, aber aus gutem Grund. Ich benötigte jetzt meine volle Konzentration, denn gleich würde es nicht um die Borussia und den lieben Gott gehen, sondern um viel mehr. Auch wenn das kaum vorstellbar war.
»Schön, dass Sie da sind ...« Er lächelte.
»Ich dachte, ist vielleicht besser als am Telefon.«
Wenig später saßen wir uns gegenüber. Pfarrer Nordermann in einem englischen Clubsessel mit leicht abgewetzten Armlehnen, ich auf einem schwedischen Besuchersofa. Zwischen uns ein Tisch von einem Eine-Welt-Basar mit allerlei Lesematerial über Afrika, diversen Hilfsprojekten für den Rest des Globus und den aktuellen Pfarrnachrichten.
»Sie ahnen wahrscheinlich, um was es geht, Herr Litten?!«
»Ja, natürlich, und ich muss sagen, ich kann da nichts machen«, log ich pflichtbewusst, »es tut mir leid.«
»Sie können nichts machen?« Er wirkte aufrichtig betroffen.
Ich nickte, vielleicht eine Spur zu heuchlerisch.
»Um ehrlich zu sein, Herr Litten, ich habe eigentlich schon erwartet, dass Sie Verantwortung übernehmen, Ihre Frau ist schließlich bei uns ...«
»Herr Pfarrer, tut mir leid, dass ich Sie da unterbreche, aber meine Frau, die hat damit nichts zu tun.«
»Das ist mir klar, aber so ganz trennen kann man das nicht. Sie sind schließlich verheiratet.«
»Ich weiß, nur ... sehen Sie, meine Frau und ich, wir sind nicht immer in allen Punkten einer Meinung.«
»Herr Litten, mir geht es doch hier nicht um eine grundsätzliche Bewertung Ihrer Ehe, und ich möchte Ihnen auch nichts vorschreiben, aber Sie beide, als Mitglieder dieser Gemeinde, in der Ihre Frau sogar ihren Arbeitsplatz gefunden hat, das sollten wir nicht trennen.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Freut mich ganz ehrlich, Herr Litten, dass Sie das so sehen. In diesen Tagen ist so etwas nicht selbstverständlich. Leider nicht.«
Bislang hatte ich nicht im Traum daran gedacht, dass meine Arbeit an der
Messias
meiner Frau in irgendeiner Weise schaden könnte. Gut, ich hätte drauf kommen können. War ich aber nicht, ich unsensibler Klotz. Aber es ist ja nie zu spät, um auf solche Vorfälle angemessen zu reagieren.
»Ich würde dennoch gerne meine Frau aus dem Thema rauslassen, wenn es geht.«
»Nun, ich sehe da kaum eine Chance. Ihre Frau hat sich ja nun auch geäußert.«
Ein kalter Schauer rann über meinen Rücken. Angstschweiß pur. Es goss in Strömen, so als wäre ich die Strecke Rathaus – Pfarramt deutlich unter sechs Minuten geradelt.
»Meine ... Frau hat sich
Weitere Kostenlose Bücher