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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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den gierigen Schlund schob, empfand ich als reine Provokation. Wie kann man sich geschätzte 1900 Kalorien in der Größe einer kleinen Mundharmonika einverleiben, während da draußen die Welt brennt?
    »Die Messias ist auch irre, oder?«
    Als hätte ich nicht schon genug Siggi am Morgen hinter mir gehabt, zeigte mir der Kaloriendompteur die Onlineversion der aktuellsten
Messias
-Folge.
    »Coole Frau, muss man sagen, obwohl, am Ende: ganz schön schwach auf der Brust.«
    »Die Messias?«
    »Die Story! Wenn du mich fragst, ich hätte noch ’n herben Spruch ausgeteilt. Und dann, gut! Aber so, ich weiß nicht, bisschen abrupt, oder? Na ja, was willste von so ’ner Emanzentippse schon erwarten.«
    Nach einem Klick mit der Maus verschwand die Messias von Siggis Bildschirm. Ich sehnte mich nach einer Maus, die mit einem Klick auch meine Probleme hätte beseitigen können. Frau Löffler war jedenfalls nicht die Maus, die ich an diesem Morgen so dringend brauchte. Sie war einfach nur da, ohne jede Klickfunktion.
    »Guten Morgen, Herr Litten. Sie werden es nicht glauben, aber es passieren noch Wunder.«
    Oh ja, bitte lass diese Frau einmal recht haben, schoss es mir durch den Kopf.
    »Ich habe einen Parkplatz direkt bei Börgelmann gefunden, unglaublich, oder?«
    »Oh ja ...« Wunder gab es auch an diesem Morgen nicht.
    »Kaffee?«, fragte die glückliche Parkplatzfinderin.
    »Nein danke!«
    »Ich aber«, bat Siggi aus dem Hintergrund.
    »Dann machen Sie sich doch einen«, konterte Frau Löffler. Und zum ersten Mal an diesem Morgen hatte ich einen winzig kleinen Grund, zu grinsen. Aber so, als würde da oben an der Schicksalsplaystation jemand unbedingt verhindern wollen, dass aus einem unbedarften Grinsen mehr wird, stand Pfarrer Nordermann mit einem Mal in der Tür.
    »Herr Litten!«
    »Guten Morgen, Herr Pfarrer, falls es um das Pfarrfest geht, ich ...«
    »Nein, darum geht es nicht.«
    Pfarrer Nordermann zog die aktuelle Ausgabe unserer Zeitung aus seinem mausgrauen Überzieher und legte mir eine aufgeschlagene Seite direkt auf den Schreibtisch, dem er sich fast unbemerkt genähert hatte.
    Die aktuellste Folge der
Messias
. Alles klar.
    »Ich weiß, Herr Litten, dass Sie damit nichts zu tun haben, aber ich muss Ihnen als Repräsentanten dieser Zeitung hier am Ort sagen, dass ich empört bin, und mehr. Ich bin enttäuscht. Ich hatte bislang, bis auf einige eher populistisch aufbereitete Antipapstberichterstattungen, nie Grund zur Klage. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem Sie sich, ich meine, bis Ihre Zeitung sich entschlossen hat, dieses niveaulose Machwerk ins Blatt zu heben. Ich weiß beim besten Willen nicht, was Sie, ich meine, was Ihren Verlag dazu bewogen hat, und ich möchte es auch gar nicht wissen. Ich bin wirklich enttäuscht. Richtig enttäuscht. Als Geistlicher, aber auch als Abonnent.«
    »Herr Litten muss gleich zu einem Termin, Herr Pfarrer.« Die gute Frau Löffler hatte Stellung bezogen, um mich zu schützen. Rührend, aber uneffektiv.
    »Kein Problem, Frau Löffler, alles, was ich Herrn Litten sagen wollte, habe ich gesagt.«
    »Ich werde selbstverständlich Ihre Kritik weiterleiten, Herr Pfarrer.« Dies war ganz ernsthaft meine Absicht.
    »Davon gehe ich aus, ach ... und noch was, die Kündigung des Abonnements, kann ich das gleich hier erledigen, oder muss ich dafür extra nach Dortmund schreiben?«
    »Hier.«
    Frau Löffler, eine treue Kirchgängerin auch außerhalb der hochoffiziellen Feiertage, verzog das Gesicht, als hätte der Pfarrer sie persönlich angegriffen. Aber eine Kündigung nahm Frau Löffler immer persönlich. Es gibt auf dieser Welt mutmaßlich nur noch sehr wenige Menschen, die sich mehr mit ihrer Arbeit identifizieren als Frau Löffler. Mal abgesehen vom Pontifex Maximus in Rom und dem Leiter der örtlichen Feuerwehr in Muenden.
    »Bitte schön!«
    Frau Löffler reichte Pfarrer Nordermann mit der Vehemenz, mit der bei bilateralen Konflikten Kriegserklärungen ausgetauscht werden, einen Vordruck. Freunde würden die beiden nun bestimmt nicht mehr. Sie waren es nie, aber die Option war da. Bis zu diesem Moment der Kündigung.
    »Ich danke Ihnen, Frau Löffler«, erwiderte Pfarrer Nordermann freundlich bemüht wie immer und verließ mit einem zufriedenen Ausdruck unsere Redaktion.
    Ansgar war ihm wahrscheinlich in die Arme gelaufen, denn sein Kommentar war eindeutig.
    »Morgen zusammen, schon einen kleinen Segen abgeholt?!«
    »Pfarrer Nordermann hat in den Sack gehauen«, krähte

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