Neu-Erscheinung
Ich lasse meine schlechte Laune an einem Mann aus, der wahrscheinlich wirklich nur freundlich sein wollte. Dass sich bei mir so viel aufgestaut hat, ist nun wirklich nicht seine Schuld. Ich muss mich besser unter Kontrolle haben. Alles andere wäre primitiv, und das bin ich nicht. Auch wenn ich gerade ziemlich nah dran war. Als »normale« Frau dürfte ich das nun auf gar keinen Fall zugeben. Normalen Frauen ist das Recht auf Selbsterkenntnis zwar gegeben, aber mit einem universellen Schweigegelübde verbunden. Selbst wenn Frauen wissen, dass sie Mist gebaut haben, dürfen sie es nicht zugeben. Das hat die Natur so geregelt. Ich mache da eine Ausnahme, bei mir ist nichts von der Natur geregelt, ich bin SEINE Tochter.
»Es tut mir leid.«
»Bitte?«
»Echt jetzt. Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen im Bordbistro, einfach so?«
»Äh, ist jetzt das wieder ein Scherz?«
Ich und eine kleine Unterbrechung
» ... was machst ’n du da?«, fragte Bettina schlaftrunken, vom diffusen 30 -Watt-Energiesparlampenlicht im Flur nur spärlich beleuchtet. Ich zuckte zusammen und riss die Hände reflexartig von der Tastatur meines Notebooks.
»Ich, äh ... arbeite.«
»Um halb drei in der Nacht?«
»Was, schon so spät?«
»Komm ins Bett.«
»Gleich, ich muss nur noch eben schnell ...«
Bettina schleppte sich mit somnambulen Bewegungen zu mir. Für mich eindeutig mit dem festen Vorsatz, mir über die Schulter schauen zu wollen. Ganze zwei Meter trennten sie noch von der Erkenntnis, dass ihr Mann auch oder gerade um halb drei in der Nacht kein Geringerer als Bella Gabor war. Vielleicht war das jetzt der richtige Moment, um endlich die Wahrheit ... Vielleicht war ihre offensichtliche Müdigkeit eine ideale Voraussetzung, ihr in aller Ruhe erklären zu können, was mich dazu gebracht hat, einen, nun ja, emanzipatorischen Fortsetzungsroman für Frauen zu schreiben. Vielleicht war dies auch der richtige Zeitpunkt, ihr zu sagen, dass ich speziell dieses Kapitel nur für sie schrieb. Vielleicht, vielleicht. Eines stand fest, Bettina war eindeutig milder, wenn sie müder war, und ich hatte deutlich bessere Chancen, meine Gesprächsanteile zu erhöhen.
Vielleicht war das auch nun wirklich der Augenblick, um Bettina zu beeindrucken. Oder wenigstens einen Eindruck zu hinterlassen. Eine Spur, ein Zeichen, eine Tat. Etwas, das blieb, an das man sich erinnern konnte. Ein Gegenentwurf zu allem, was sich im Alltag und in der Routine des Miteinanders sonst nur verflüchtigte. Etwas, das mich in ihren Augen wieder zu dem Paul machte, den sie...
»Du kommst jetzt ins Bett, das kannst du doch auch noch morgen machen.«
Es war nicht der richtige Augenblick. Das stand jetzt eindeutig fest. Statt mir über die Schulter zu schauen, drehte sich Bettina um und erwartete von mir, dass ich ihr wie ein treuer Hund oder das Opfer einer magnetischen Sogwirkung ins Bett folgte.
Ich folgte ihr wie ein verheirateter Mann, widerspruchslos, gehorsam und mit meinem Geheimnis. Bella Gabor und ich gingen schlafen, und mein Notebook fuhr sich selbständig in den Standby-Modus.
Ich in der Redaktion mit Reaktion von anderen
»Wie stellen Sie sich das vor, Herr Masuch? – Ja ... Günter! – Aber ich weiß jetzt wirklich nicht, wie das gehen soll«, flüsterte ich ins Telefon, »Bella Gabor in einer Talkshow, das sagt sich so ...«
Noch war ich alleine, aber in wenigen Minuten wären die kompletten Redaktionstaliban vor Ort. Frau Löffler vermutete ich schon bei der Parkplatzsuche, die seit einiger Zeit etwas länger dauerte, weil sie sich von unserem örtlichen Asienautohändler einen völlig unnötigen Geländewagen hatte aufschwatzen lassen. Frau Löffler, der Inbegriff aller Singlefrauen um die 50 , und ein SUV war so sinnvoll wie ein Premiere-Decoder in einem Waldorfkindergarten. Aber das war jetzt nicht mein Problem. Mein Problem hieß Günter, und der ließ sich nur mit Mühe davon abhalten, mir seinen völlig abwegigen Plan zu kommunizieren.
»Litten?! Eine Talkshow! Das ist der Multiplikator! Jetzt geht’s doch erst richtig los, Mensch!«
»Ja schon, aber ...«
»Aber, aber! Aber ist das Schwert der Angsthasen. Mensch, Litten, nun freuen Sie sich doch mal. Wo ist denn das Problem?«
»Hier. Am Apparat«, erwiderte ich kleinlaut.
»Mensch, Litten, meinst du, ich erwarte von dir ...«, er duzte mich nun, was die Situation aber auch nicht mehr schlimmer machte.
»Das Problem ist doch wohl nicht, dass du da selber auftrittst?!«
»Ich finde
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